Ratspräsidentschaft jetzt zäh Irland bremst Sarkozy
15.06.2008, 10:47 UhrEs hätte alles so schön werden können: Ein Pariser Gründungsgipfel für die Mittelmeerunion, ein rauschendes Fest mit zahlreichen Staats- und Regierungschefs zum Nationalfeiertag am 14. Juli in Paris, EU-Ministertreffen über ganz Frankreich verstreut und zum krönenden Abschluss die Nominierung des ersten EU-Ratspräsidenten mit mehrjährigem Mandat.
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy wollte den Ratsvorsitz seines Landes zu einem Feuerwerk an Initiativen machen. Es sollte Schluss sein mit endlosen Gipfeltreffen, auf denen wenig herauskommt und Sarkozy sich selber langweilt. Europa sollte bürgerfreundlicher werden. Doch das irische Nein zum Lissabon-Vertrag bedeutet auch eine persönliche Niederlage für Sarkozy und wird seine Ratspräsidentschaft erheblich belasten.
Sarkozy getroffen, Kouchner "völlig umgehauen"
Der Reformvertrag von Lissabon war kurz nach Sarkozys Amtsantritt verabschiedet worden, und der energiegeladene Präsident hatte sich - zum Ärger mancher EU-Kollegen - nonchalant als dessen geistiger Vater präsentiert. "Frankreich ist zurück in Europa", verkündete er bei allen möglichen Gelegenheiten. Das französische Nein von 2005 sollte vergessen werden. Sarkozy sah in Europa und in der anstehenden Ratspräsidentschaft nicht zuletzt auch eine Chance, den eigenen Ruhm und Einfluss zu mehren.
Es war ein Zufall des Kalenders, dass Außenminister Bernard Kouchner und EU-Staatssekretär Jean-Pierre Jouyet ausgerechnet am Tag des irischen Neins auf einer EU-Werbeveranstaltung in Marseille auftraten. Er könne sich wirklich nicht vorstellen, dass ein Land wie Irland, das so sehr von Europa profitiert hat, beim Referendum negativ abstimmen könnte, sagte Kouchner noch kurz bevor die ersten negativen Prognosen durchsickerten. Als das Debakel feststand, blieb Jouyet einen Moment lang die Diplomatensprache weg. "Das haut mich völlig um", gestand er ein. "Das zeigt, dass es einen Graben gibt zwischen dem europäischen Projekt und den Erwartungen und dem Verständnis der EU-Bürger", fügte er hinzu.
Da Sarkozy sich so sehr als Held des Lissabon-Vertrags in Szene gesetzt hatte, hatte die französische Opposition ein leichtes Spiel, das irische Nein für eigene Zwecke zu nutzen. Der rechtsextreme Jean-Marie Le Pen war einer der ersten, der Irland zur Ablehnung des EU-Vertrags beglückwünschte. Das Nein sei ein "großartiger Sieg des irischen Volks", betonte er. Der Vertrag sei damit endgültig tot und begraben. Aber auch bei den Sozialisten war die Schadenfreude kaum verhüllt. "Sarkozys Versuch einer Wiederbelebung scheint gescheitert. Europa braucht eine demokratische und soziale Neugründung, die vom Volk ausgehen muss", betonte Julien Dray, Sprecher der sozialistischen Partei PS. Die linke Tageszeitung "Libration" titelte: "Irland - Europa 1:0".
Eher zäh als großartig
Noch steht nicht konkret fest, welche Folgen das irische Nein für die französische Ratspräsidentschaft haben wird. Sicher ist aber, dass es wesentlich komplizierter und weniger feierlich werden wird. Sollte sich Sarkozy dafür einsetzen, die Iren zu einer erneuten Abstimmung zu bewegen, riskierte er, als undemokratisch kritisiert zu werden. Anstatt das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags vorzubereiten, geht es nun erstmal mit dem Nizza-Vertrag weiter - der allerdings für ein Europa von 27 kaum geeignet ist.
Statt großartiger Projekte und aufwendiger PR-Aktionen zugunsten eines Europas unter französischer Führung stehen nun zähe Verhandlungen und diplomatische Haarspaltereien an, um die Schäden des irischen Neins zu begrenzen. Im Unterschied zu früher, als Sarkozy gerne Alleingänge gemacht hat, zeigte er sich jetzt plötzlich auch ganz kooperationswillig: Die erste Reaktion auf das Debakel war eine gemeinsame Erklärung von Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel. Viel mehr als ein ratloses Bedauern und eine vage Hoffnung auf eine fortgesetzte Ratifizierung enthielt sie allerdings nicht.
Ulrike Koltermann, dpa
Quelle: ntv.de