Neue Regeln für ARD und ZDF Keine Internet-Deckelung mehr
15.05.2008, 12:04 UhrEine Fernsehsendung ist auch dann eine Fernsehsendung, wenn sie über das Internet verbreitet wird. Darin sind sich die Medienpolitiker inzwischen so weit einig, dass sie den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht länger vorschreiben wollen, wie viel Geld sie für ihre Online-Aktivitäten ausgeben dürfen. Die derzeit noch geltende Obergrenze von 0,75 Prozent der Gebühreneinnahmen ist im nächsten Rundfunkstaatsvertrag nicht mehr vorgesehen. Dafür zieht der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, dessen Entwurf derzeit in den Staatskanzleien der Länder noch einmal überarbeitet wird, andere Grenzen für ARD, ZDF und Deutschlandradio.
Dass dies überhaupt nötig ist, liegt zum einen am Siegeszug der digitalen Medien mit ihren schier unbegrenzten technischen Möglichkeiten, zum anderen am Druck aus Brüssel. Im Frühjahr 2007 konnte Deutschland ein EU-Wettbewerbsverfahren gegen die hiesigen Rundfunkgebühren nur durch Zusagen abwenden, die jetzt erfüllt werden müssen. Dazu gehört eine klare Definition des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags ebenso wie der Schutz der privaten Konkurrenz vor unfairen Nachteilen. Die dafür gesetzte Frist von zwei Jahren wollen die deutschen Bundesländer einhalten: Am 1. Mai 2009 soll der Staatsvertrag in Kraft treten.
Externe Berater zwingend vorgeschrieben
Gestritten wird schon seit Wochen über die im Vertragsentwurf vorgesehenen inhaltlichen Begrenzungen jener Online-Angebote von ARD und ZDF, die keinen direkten Bezug zum TV-Programm haben. Auch kurz vor dem nächsten Treffen der Staatskanzlei-Chefs am 22. Mai sind sich die Länder noch nicht einig, was den Sendern auf dem Gebiet der "nicht sendungsbegleitenden" Telemedien erlaubt sein soll, wie der Mainzer Staatssekretär Martin Stadelmaier wissen lässt. Unstrittig sind dagegen Telemedien und Texte, die sich auf Fernsehsendungen beziehen. Und es soll auch bei der geplanten Sieben-Tage-Frist für den Internet-Abruf von Sendungen nach deren Ausstrahlung bleiben.
Doch die Sender erhalten mit einem Drei-Stufen-Testverfahren auch die Möglichkeit, sich längere Abruffristen und andere neue Angebote genehmigen zu lassen. Zuständig dafür sind die internen Aufsichtsgremien der Sender wie Rundfunk- oder Fernsehrat. Während sie im ersten Vertragsentwurf noch freie Hand hatten, ob sie bei ihrer Entscheidung externen Sachverstand berücksichtigen oder nicht, soll diese Freiheit nun begrenzt werden. Bei der "marktlichen Beurteilung", also der Einschätzung der Auswirkungen eines neuen öffentlich-rechtlichen Angebots auf den Medienmarkt, wird die Einschaltung externer Berater laut Stadelmaier zwingend vorgeschrieben.
"Mehrwert der Angebote" herausarbeiten
Bei den anderen Prüfpunkten des Drei-Stufen-Tests - ob das neue Angebot den gesellschaftlichen Bedürfnissen entspricht und wie viel es kostet - können die Gremien selbst entscheiden, ob sie sich von außen beraten lassen. Stadelmaier: "Wenn sie klug sind, werden sie es machen."
Die EU-Kommission erwartet eine schlüssige Antwort auf die Frage, was am öffentlich-rechtlichen Programm so besonders ist, dass die Bürger es jedes Jahr mit mehr als sieben Milliarden Euro an Gebührengeldern finanzieren müssen. Diese Antwort soll zum Teil von den Sendern selbst kommen, in Form von Negativ- und Positivlisten dessen, was sie tun und worauf sie verzichten wollen. Im Staatsvertrag ist ihr Auftrag eher allgemein beschrieben: Sie sollen "als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung" wirken und "dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft" erfüllen.
Der in der Medienpolitik federführende Regierungschef von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD), erwartet, dass die Sender "den Mehrwert ihrer Angebote herausarbeiten und begründen". Nur dann sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk legitimiert und seine Finanzierung aus Gebühren gerechtfertigt, sagte er kürzlich in einem Interview. Sein Staatssekretär Stadelmaier ist zuversichtlich, dass den Ministerpräsidenten bei ihrem Treffen am 12. Juni ein Vertragsentwurf zur politischen Entscheidung vorgelegt wird, der die Vorgaben der EU erfüllt.
Von Klaus Koch, dpa
Quelle: ntv.de