Dossier

Streit um Sowjetsymbole Litauen will Verbot

Es ist ein bitterer Streit um rote Sterne und Embleme mit Hammer, Sichel und Ährenkranz, der auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion ausgebrochen ist. Während die Sowjetsymbole in Russland bis heute als nahezu heilig gelten, hat sie das Parlament in Litauen nun verboten und sogar den Nazi-Zeichen gleichgesetzt. Der Aufschrei in Moskau ist groß. "So etwas Hirnrissiges!", schimpft der Chef des russischen Föderationsrates, Sergej Mironow. Nur zu gut erinnert sich Moskau an die gewaltsamen Proteste gegen die Verlegung eines sowjetischen Soldatendenkmals in Estland im April 2007.

Auch diesmal will sich Russland das Andenken an die Rote Armee und den Sieg über den Hitler-Faschismus nicht kaputtmachen lassen. Die russischen Kommunisten zogen prompt mit Sowjetfahnen zu Protesten vor die litauische Botschaft in Moskau. Das Verbot verletze die Gefühle vieler Menschen in der früheren Sowjetunion, sagt der Vizechef der Kommunisten, Iwan Melnikow. Von "Geschichtsklitterung" spricht Außenamtssprecher Andrej Nesterenko. "Das ist eine Lästerung und Verachtung der vielen sowjetischen Soldaten, die ihr Leben für die Befreiung vom Faschismus gelassen haben, damit auch die Litauer so leben können, wie sie es heute tun", empört sich Mironow.

Keine einheitliche Linie seitens der EU

Moskau wirft den baltischen Staaten seit Jahren vor, die Menschenrechte der russischen Minderheit mit Füßen zu treten, und fordert von der EU, auf die Regierungen der Ex-Sowjetrepubliken einzuwirken. Doch die EU hat zu dem Verbot der Sowjetsymbole keine einheitliche Linie und betrachtet dies als innere Angelegenheit des Mitgliedsstaats, wie Sloweniens Botschafter Andrej Benedejcic in Moskau sagt. Sein Land hat derzeit die EU-Präsidentschaft inne.

Zwar muss der litauische Präsident Valdas Adamkus das umstrittene Gesetz noch unterzeichnen. Der Streit dürfte dennoch einen Schatten auf den EU-Russland-Gipfel vom 26. bis 28. Juni werfen, bei dem im sibirischen Chanty-Mansijsk der Startschuss für ein neues Partnerschaftsabkommen fallen soll. Schon seit einigen Monaten schlägt Litauen verstärkt antirussische Töne an. Zuletzt hatte das Land sogar noch vergeblich versucht, den Beginn neuer Verhandlungen über das überfällige EU-Grundlagenabkommen mit Russland zu blockieren.

Sowjetarmee als Besatzer, nicht als Befreier wahrgenommen

Der 81-jährige Adamkus fordert indes weiter, Brüssel möge mit Moskau über die Verfolgung von Verbrechen aus der Sowjetzeit verhandeln. Viele Litauer sehen die Sowjetarmee nicht als Befreier, sondern als Besatzer. Unter Stalin wurden in den 1940er Jahren viele Litauer in sibirischen Straflagern umgebracht. Adamkus verlangt zudem eine Lösung des Konflikts mit Russland um die abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien. Zum Ärger Moskaus bot sich das kleine Land außerdem als Alternativstandort für die umstrittenen US- Raketenabwehrpläne an, sollte die Stationierung in Polen platzen.

Parteiübergreifend kritisieren russische Politiker einen beispiellosen "Zynismus" im Baltikum. Mironow sieht sogar Anzeichen einer antirussischen Verschwörung. Vor dem 70. Jahrestag des Kriegsbeginns am 1. September 2009 wollten Politiker in einigen Ländern wohl Deutschland und der Sowjetunion gleichermaßen die Schuld daran geben, sagt Mironow. In Vilnius zeigt sich Parlamentssprecherin Vida Genovaite Nacickaite erstaunt über die Reaktionen. "Wir haben ja hier nichts Neues erfunden", sagt sie. In anderen Ländern würden ähnliche Symbole auch verboten.

In Russland jedenfalls ist die Debatte voll entfacht, weil hier die sowjetischen Symbole so wie früher oder in abgewandelter Form noch verwendet werden. Russlands größte Fluggesellschaft Aeroflot etwa fliegt mit Hammer und Sichel im Logo auch Litauen an. Angesichts möglicher Staatsbesuche, aber auch Sportveranstaltungen fürchtet mancher, dass die aus Sowjetzeiten stammende Melodie der russischen Nationalhymne in Litauen künftig wohl nicht mehr erklingen darf.

Quelle: ntv.de, Ulf Mauder, dpa

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