Dossier

Still durchsetzen Merkel als Maklerin des Gipfels

Auch ohne den künftigen US-Präsidenten Barack Obama war dieses Dinner im Weißen Haus zum Auftakt des Weltfinanzgipfels für Angela Merkel ein lehrreicher Abend. Er zeigte der Kanzlerin, dass die illustre Schar der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsmächte und Schwellenländer der Erde zwar immer noch den Ernst der Finanzmarktkrise sehen. Einig sind sich die Großen der Welt im Grundsatz nach wie vor auch, dass nur ein gemeinsames Vorgehen künftige Krisen verhindern kann - und sie bei allen kulturellen Unterschieden im Gespräch bleiben müssen. Über den Grad der Bändigung der wild gewordenen Finanzmärkte herrscht unter den Ländern, so der Eindruck der Deutschen beim Dinner des scheidenden US-Präsidenten George W. Bush, aber wahrlich kein durchgehender Konsens.

Es wurde beim Essen am Freitagabend viel geredet, länger als geplant. Insbesondere die Schwellenländer wie Brasilien und Mexiko sorgten sich um die Wirtschaftsentwicklung der Welt. Andere fokussierten sich noch auf die Finanzkrise, allerdings mit unterschiedlichem Zungenschlag.

Die unterschiedlichen Akzente werden jedoch am Ende der Veranstaltung in Washington noch nicht so richtig auffallen. Denn bei diesem Treffen geht es zunächst nur um die großen Überschriften, um die Verständigung auf die Grundsätze für eine neue Weltfinanzarchitektur. Und das allein sehen die Deutschen schon als einen Erfolg.

Keine Überwachungslücken

Zwar gab es bei der Ausarbeitung des Abschlussdokuments schon einiges Hin und Her. Zur Befriedigung der Deutschen wird aber das Kernprinzip lauten: Keine Überwachungslücken mehr. Es solle sichergestellt werden, dass "alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Finanzmarktteilnehmer einer Regulierung oder angemessenen Überwachung unterworfen werden", heißt es in dem Entwurf.

Im Gegensatz zur Klimadebatte trat Merkel in den vergangenen Wochen in der Finanzkrise zumindest nach außen nicht als die treibende Kraft für eine neue Weltordnung auf. Gemeinsam mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück nahm sie sich in dieser Krise ein Stück weit zurück. In Europa gab vielmehr - umtriebig wie er ist - Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy das Tempo vor, ganz in der Rolle des EU-Ratspräsidenten aufgehend. Hinzu gesellte sich Großbritanniens Premier Gordon Brown, der als britischer Schatzkanzler Regulierung zwar noch als kontinentales Teufelzeug ansah, nach dem Scheitern des Finanzsystems sich dann aber flugs an die Spitze der Bewegung für eine Reform setzte.

Vermittler im Hintergrund

Merkel hielt sich im Hintergrund, weil sie schon vor einiger Zeit aus der Klimadebatte eine Lehre gezogen hat. Mit Forderungen vorzupreschen, ist die eine Sache. Sie bringt zwar in Deutschland in der Regel gute Schlagzeilen - vor allem, wenn sie sich gegen Bush richteten. Die Methode ist aber mitunter weniger erfolgreich, weil sie bei dem, den es zu überzeugen gilt, zu einer Verhärtung der Position führen kann.

So waren Merkel und Steinbrück, je nach Temperament, eher leise oder etwas lautere Vermittler im Hintergrund. Merkel kann inzwischen nach drei Jahren ihrer Amtszeit, so scheint es zumindest, fast mit jedem in der Welt ins Gespräch kommen. Selbst mit den Chinesen wieder, auch wenn sie mit der Führung in Peking wohl keine wahlverwandtschaftlichen Verhältnisse mehr eingehen dürfte. Deutschland ist unter der Kanzlerin Merkel, auch durch das Wirken von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ein angesehener Makler der Interessen geworden. Deutschland nimmt auch inhaltlich eine Mittlerrolle ein.

In 100 Tagen zeigt sich, ob das Projekt gelingt

Merkel hatte in den vergangenen Tagen viel telefoniert. Mit Russlands Präsident Dmitri Medwedew zum Beispiel, aber auch mit anderen, so wie mit Bush. Rausgekommen ist, dass in Washington aus Sicht der Deutschen zumindest ein Zug auf ein Gleis gesetzt wird, der erst einmal in die richtige Richtung fährt. Ob das Projekt einer neuen Weltfinanzarchitektur aber gelingt, wird sich für Merkel und Steinbrück erst in 100 Tagen zeigen, wenn die Finanzminister die schönen und wohlklingenden Überschriften mit Text unterfüttert haben. Wenn sie sagen, wie zum Beispiel den Rating-Agenturen konkret auf die Finger
geschaut werden soll.

Dann werden die Bürger der Welt wissen, ob es den Staaten gelingt, ihre Finanzmarktkontrollen effektiv miteinander zu vernetzen. Ob etwa so viel Druck aufgebaut werden kann, Finanzoasen von den Cayman-Inseln bis Liechtenstein das Wasser abzugraben.

Genauso interessant wie der Gipfel selbst war das Drumherum. Und das hatte wiederum mit der Abwesenheit Obamas zu tun. Der hatte eigens Ex-Außenministerin Madeleine Albright als Empfangsdame für die Delegationen abgestellt, die mit ihm Kontakt aufnehmen wollten. Er selbst war lieber in Chicago geblieben. Aus dem Stab der Kanzlerin hatte schon am Freitagabend Sicherheitsberater Christoph Heusgen einen Termin bei der großen alten Dame der US-Außenpolitik. Denn ob es was wird mit der neuen Weltfinanzordnung, wird entscheidend vom neuen Mann im Weißen Haus abhängen.

Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack, dpa

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