Krisenherde sind Tischgespräch Merkel auf der Ranch
10.11.2007, 16:00 UhrAuf auffällige Cowboy-Stiefel hatte George W. Bush bei der Begrüßung verzichtet. Ansonsten gab sich der US-Präsident sichtlich Mühe, die Kanzlerin aus Deutschland "zünftig" auf seiner Ranch in Crawford zu empfangen.
Der Hubschrauber, der Angela Merkel, ihren Mann Joachim Sauer und ihre kleine Delegation vom nahen Militär-Flughafen Fort Hood nach Crawford flog, kam in der Nachmittagssonne von Texas gerade in Sichtweite, da fuhr auch der US-Präsident ganz gemächlich mit seinem großen weißen Geländewagen am Landeplatz vor. Nach dem kurzem Händedruck - Bush in Jeans und kurzärmeligem Hemd, die Kanzlerin im legeren Blazer - gab es zunächst ein kleines Statement.
Der Präsident am Steuer
Bush lobte wieder einmal die Kanzlerin und meinte, dass er "Herzlichkeit und Respekt" für sie empfinde. Die Kanzlerin schwärmte nach dem Kurz-Flug über den Riesenbundesstaat schon von der "wunderbaren Atmosphäre", die in Texas herrsche. Und dann stiegen sie ein in Bushs Gefährt und fuhren los in Richtung Ranch. Am Steuer der Präsident, daneben die Kanzlerin und hinten Laura Bush und Joachim Sauer. Es wurde freundlich gewunken beim Auftakt dieses sehr privat gehaltenen Besuchs.
Bush und Merkel hatten zuvor aber durchaus betont, dass sie sich von dem Miteinander an diesem Wochenende "konstruktive Gespräche" erhofften, wie der US-Präsident es ausdrückte. Merkel sagte ihrerseits, dass sie über "wichtige Probleme" sprechen wollten. Und insbesondere die Kanzlerin hatte schon daheim einiges unternommen, um ja nicht den Eindruck entstehen zu lassen, es handele sich bei der Reise nur um eine Art aufwendige Wochenendsause.
Ernste Tischgespräche
Und so wurde schon beim Abendessen, wie aus Merkels Umgebung zu erfahren war, intensiv über alle internationalen Krisenherde gesprochen: Vom Iran über den Irak bis hin zum Kosovo, zurück in den Nahen Osten, um dann schließlich beim Klimaschutz zu landen. Es herrscht Entscheidungsdruck nahezu in allen Krisen, und Merkel ist sich bewusst, dass auch im letzten Jahr der Präsidentschaft von Bush ohne die Amerikaner nicht viel gehen dürfte.
Die Ergebnisse wollten beide erst am Samstagabend deutscher Zeit mitteilen. Aber die Kanzlerin hatte noch in Deutschland angedeutet, Bush vor allem im Atomkonflikt mit dem Iran dazu ermuntern zu wollen, weiter ausschließlich auf diplomatischen Druck gegen Teheran zu setzen. Dabei dürfte sie aber auch genau auf die Aussagen des Präsidenten selbst gehört haben, nachdem dieser vor kurzem die Welt beunruhigt hatte, als er im Zusammenhang mit dem Atomkonflikt von der Gefahr eines Dritten Weltkriegs gesprochen hatte.
Eine Hand wäscht die andere
Als Geste, dass auch sie den Amerikanern helfen will, hatte die Kanzlerin hingegen in Berlin Mitte der Woche gleich zwei Mal mit dem saudischen König Abdullah gesprochen. Vermutlich auch, um bei Abdullah für eine Teilnahme möglichst vieler arabischer Staaten an der amerikanischen Nahost-Friedenskonferenz von Annapolis zu werben. Schon vor dem Besuch zeigte sie damit: Einer hilft dem anderen.
Unabhängigkeit bewiesen
Lange hatte Merkel gewartet, bis sie nach Crawford gereist ist. Die Einladung Bushs bestand schon spätestens seit dem nahezu berühmt gewordenen Wildschwein-Essen von Trinwillershagen im Juli 2006. Sie wollte erst demonstrieren, dass sie ihren eigenen Weg in der Außenpolitik geht, nicht die Bush-Getreue ist, als die sie als Oppositionsführerin bei vielen Bürgern geradezu verschrien war.
Erst jetzt, nachdem sie wegen ihres diplomatischen Geschicks mitunter in den Medien als "Königin der Hinterzimmer" angesehen wird, schien ihr die Zeit reif, um auf die Ranch Bushs zu fahren.
Ein historischer Besuch
Denn dass die Einladung eine besondere Geste Bushs war, ließ sich schon daran erkennen, dass auch begabte Rechercheure in den vergangenen Jahrzehnten auf keinen ausgesprochenen Privatbesuch eines deutschen Bundeskanzlers bei einem amerikanischen Präsidenten gestoßen sind. Zuletzt soll Ludwig Erhard bei einem Besuch bei US-Präsident Lyndon B. Johnson 1963 in den Genuss dieser Ehre gekommen sein. Aus heutiger Sicht also noch in den Teenagertagen der Bundesrepublik.
Von Ulrich Scharlack, dpa
Quelle: ntv.de