Dossier

Bundesfamilienministerin Köhler "Merkel geht hohes Risiko ein"

Die 32 Jahre alte Familienministerin Köhler ist nach Gesundheitsminister Rösler und Verteidigungsminister Guttenberg der dritte Shootingstar der Bundesregierung. Doch Politikwissenschaftler Langguth warnt: "Das Amt kommt zu früh." Köhler fehle es an fachlicher Erfahrung und Führungskompetenz.

Bundesfamilienministerin Köhler bei ihrer Vereidigung im Bundestag. "Jugendlich zu sein ist kein Wert an sich."

Bundesfamilienministerin Köhler bei ihrer Vereidigung im Bundestag. "Jugendlich zu sein ist kein Wert an sich."

(Foto: dpa)

Nun hat endlich auch die CDU ihren Shootingstar: Kristina Köhler ist mit 32 Jahren die jüngste Ministerin im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel. Die CSU legte mit Karl-Theodor zu Guttenberg (37) vor, die FDP zog mit Philipp Rösler (36) nach – und nun zauberte die CDU die bislang unbekannte Köhler als Familienministerin hervor. Erleben wir da gerade einen Generationenwechsel in der Politik? Ist Schwarz-Gelb dem Jugendwahn verfallen?

Ein bisschen schon, wenn man Gerd Langguth glauben darf. "Wir erleben einen Schub zum Jugendlichen", sagt der Bonner Politikwissenschaftler gegenüber n-tv.de. Schwarz-Gelb sucht junge und frische Gesichter, die Ernennung Köhlers drückt den Altersschnitt des Kabinetts knapp unter 50 Jahre. "Merkel wollte einen jugendlichen Touch in die Regierung bringen", meint Langguth, weil junge Wähler für die Union immer schwierig zu erreichen seien. So richtig freuen kann sich der CDU-Experte darüber allerdings nicht.

"Jugendlich zu sein ist kein Wert an sich", sagt Langguth. Bei der neuen Familienministerin vermisst er die Qualifikation für das Amt. Was zeichnet Köhler denn aus? "Bislang fast nichts", sagt er. "Sie mag eine erfahrene Politikerin sein und es ist ihr auch Glück als Ministerin zu wünschen, doch hat Köhler bislang fachlich keine Erfahrung und in der Leitung großer Organisationseinheiten überhaupt keine."

"Reiner Proporz"

Politikwissenschaftler Langguth hält ihre Ernennung für "reinen Proporz". Langguth war Bundestagsabgeordneter für die CDU und saß im Bundesvorstand der Partei. Heute arbeitet er an der Universität Bonn.

Politikwissenschaftler Langguth hält ihre Ernennung für "reinen Proporz". Langguth war Bundestagsabgeordneter für die CDU und saß im Bundesvorstand der Partei. Heute arbeitet er an der Universität Bonn.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Köhlers Ernennung bezeichnet Langguth als "reinen Proporz". "Das Hauptargument für ihren Aufstieg war es, Roland Kochs Wunsch nach einem Hessen im Kabinett zu befriedigen."  Merkel habe sich die Loyalität des hessischen Ministerpräsidenten sichern wollen, der seit den Ministerzeiten Franz-Josef Jungs zu ihren stärksten Befürwortern zähle.

Ein bitteres Fazit für eine aufstrebende Politikerin, die Ronald Pofalla zu seinen Zeiten als CDU-Generalsekretär "zu den großen Nachwuchstalenten" seiner Partei zählte. Köhler hat bislang eine blitzsaubere Politikkarriere hingelegt.

"I like Birne"-Aufkleber

Schon als kleines Kind wusste sie, wo ihr Weg hinführen würde. „Die anderen Mädchen schwärmten für Pferde, ich für Helmut Kohl“, verriet Köhler dem Handelsblatt im Bundestagswahlkampf. Die Freude über die Wiedervereinigung war Schuld. „I like Birne“-Aufkleber prangten bei ihr auf der Schulmappe. Schon mit 12 Jahren wollte sie in die Junge Union eintreten, durfte aber noch nicht. Als sie dann endlich 14 Jahre alt war, unterschrieb sie noch an ihrem Geburtstag den Mitgliedsantrag.

Seitdem ging es in der Partei stetig nach oben: 1992 Mitglied im Kreisvorstand der JU in ihrer Heimatstadt Wiesbaden, 1995 Bezirksvorstand der CDU Westhessen, seit 2002 im hessischen CDU-Landesvorstand und im gleichen Jahr der Einzug in den Deutschen Bundestag. Dort erwarb sie sich als Politikerin den Respekt ihrer Kollegen, beschäftigt sich mit Integration, Islam und Extremismus und promovierte noch nebenbei.

Schwärmen für Helmut Kohl: Köhler wusste früh, wo ihr Weg hingehen soll.

Schwärmen für Helmut Kohl: Köhler wusste früh, wo ihr Weg hingehen soll.

(Foto: dpa)

In der CDU-Fraktion sticht sie das erste Mal richtig hervor, als sie als Obfrau im BND-Untersuchungsausschuss den politischen Alphatieren Frank-Walter Steinmeier, Joschka Fischer und Otto Schily die Stirn bietet. Zur Belohnung wird sie im Bundestagswahlkampf 2009 mit Auftritten von Ministerpräsident Roland Koch und Kanzlerin Merkel unterstützt. Sie holt das Wiesbadener Direktmandat – gegen die damalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und den ehemaligen FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt.

Doch nach ganz oben schafft sie es noch nicht: Weder in der Bundespartei noch der Fraktion bekommt sie einen Posten, das Nachwuchstalent muss noch warten. Bis Bundeskanzlerin Merkel nach dem Rücktritt von Franz Josef Jung einen neuen hessischen Minister sucht und auf die jugendliche Karte setzt.

Keine Anker in Partei und Fraktion

"Das Amt kommt zu früh", kritisiert Politikwissenschaftler Langguth. Die Gefahr des Scheiterns sei noch zu groß. "Merkel geht mit Köhlers Ernennung ein hohes Risiko ein." Langguth vermisst bei Köhler neben inhaltlicher Kompetenz und Führungserfahrung den nötigen Rückhalt in Partei und Fraktion, um sich als Ministerin durchsetzen zu können. Denn die Ministerin war bislang nicht in den Führungsgremien ihrer Partei vertreten. "Sie hat nicht einmal ein Fraktionsamt inne", bemängelt Langguth.

Minister Rösler, Köhler und Guttenberg (von links): Gemeinsamkeiten sind begrenzt.

Minister Rösler, Köhler und Guttenberg (von links): Gemeinsamkeiten sind begrenzt.

(Foto: dpa)

Zudem fehle Köhler die nötige Glaubwürdigkeit als Ministerin. "Familienpolitik ist auch Überzeugungspolitik: Die eigene Biografie ist entscheidend für die Erfahrung und Kompetenz, die einer Ministerin zugetraut wird", sagt der Experte. Zudem sei das Murren vieler anderer junger Politiker in Merkels Garden groß, dass sie bei der Besetzung übergangen wurden.

Keine neue Politikergeneration

Langguth sieht auch keine Parallelen zu den Karrieren der anderen beiden Shootingstars in Merkels Kabinett, Guttenberg und Rösler. Guttenberg hatte zum einen das Amt des CSU-Generalsekretärs inne, bevor er in die Bundesregierung wechselte. Für den Politikwissenschaftler verfügt er zum anderen über einen anderen Habitus. "Die Menschen wollen unabhängige Politiker, die ihrer Partei auch mal die Kante zeigen", sagt Langguth. Das habe Guttenberg mit seiner Rücktrittsdrohung bei den Verhandlungen um Opel bewiesen. "Köhler ist das genaue Gegenteil – sie verkörpert Politik als Beruf."

FDP-Politiker Rösler war zumindest für kurze Zeit Minister in Niedersachsen und sitzt seit Jahren in den Führungsgremien der Landes- und Bundespartei. Dass er als Arzt auch über eine gewisse inhaltliche Kompetenz und Glaubwürdigkeit für sein Amt verfügt, unterscheidet ihn von Köhler.

Langguth lehnt es deshalb ab, von einer neuen Politikergeneration zu sprechen. Auch wenn er nicht ganz ausschließen will, das Köhler es nicht doch noch zu einem echten Shootingstar schafft. Seit ihrer Ernennung ist sie bemüht, ihre inhaltliche Kompetenz zu beweisen und nimmt dabei - ganz in Tradition ihrer Vorgängerin - auch für die CDU unbequeme Positionen ein, wenn sie etwa über gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sagt: "Auf jeden Fall werden auch in diesen Partnerschaften Werte gelebt, die für unsere Gesellschaft entscheidend sind. Oft sogar sehr konservative Werte."

Quelle: ntv.de

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