Dossier

Time to say goodbye Merkel verabschiedet Bush

Die markanten dunkelgrün-weiß gestrichenen Hubschrauber des US-Präsidenten kreisten am Wochenende zur Übung zwar schon über den Norden Berlins und über Meseberg. Doch verglichen mit der Visite von George W. Bush vor zwei Jahren in Stralsund mit anschließendem Wildschwein-Grillen in Trinwillershagen hält sich die Aufregung im Land und in der Bundesregierung vor dem fünften Deutschland-Besuch des US-Präsidenten ziemlich in Grenzen. Und nichts erinnert vor dem Aufenthalt an die Nervosität vor dem G8-Gipfel von Heiligendamm im vergangenen Jahr, als Bush hierzulande zuletzt auftrat.

Es kommt der wahrscheinlich immer noch mächtigste Mann der Welt. Aber auch Bush ist gut sechs Monate vor Ende seiner zweiten Amtszeit das, was die allermeisten seiner Vorgänger in einer ähnlichen Situation waren: Eine "lahme Ente" ("lame duck"), ein Regent, der angesichts des Wahlkampfes um seine Nachfolge nichts mehr durchsetzen kann und vielleicht auch nichts mehr durchsetzen will. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will ihn daher vor allem angemessen in Deutschland verabschieden - it's time to say goodbye, George W.

Knapp zwei Tage für Gott und die Welt

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm listete eher mit einem Anflug von Chronistenpflicht die Themen des Besuchs auf. Zuerst sprach er bezeichnenderweise aber davon, dass die knapp zwei Tage, die Merkel und Bush im Gästehaus der Bundesregierung, dem Schloss Meseberg nördlich von Berlin, verbringen werden, eine "Erwiderung der Geste" seien, die Bush der Kanzlerin mit der Einladung auf seine Ranch in Crawford erwiesen habe.

Im November vergangenen Jahres waren Merkel und Bush in Texas an einem schönen Morgen gemeinsam spazieren gegangen und hatten auch ein wenig über Gott und die Welt geredet. In Meseberg soll es nun so ähnlich werden. Merkel und ihr Ehemann Joachim Sauer werden das Ehepaar Bush am Dienstagabend noch unmittelbar am Landeplatz des Hubschraubers begrüßen, der die beiden vom Flughafen Berlin-Tegel in das Dorf bringt. Dann wird im Schloss gegessen. Aber nicht zu lange, weil Bush, der vom EU-USA-Gipfel aus Slowenien kommt, immer zeitig zu Bett geht. Am Mittwochmorgen können die beiden dann - bei gutem Wetter - den Park in Augenschein nehmen und dem Vogelgezwitscher lauschen. Anschließend steht noch ein Gespräch im größeren Kreis und eine Pressekonferenz auf dem Programm. Und dann ist am frühen Nachmittag schon Schluss.

Historischen Bogen spannen

Bush kommt gern nach Deutschland. In den USA heißt es, er schätze Merkel sehr - trotz mancher politischer Differenzen, wie in der Klimapolitik, die auch in Meseberg zur Sprache kommen dürfte. Er hat wohl persönliche Sympathie für die couragierte Naturwissenschaftlerin aus der DDR und ihre politische Erfolgsgeschichte. Diesmal kann er zudem an Marshall-Plan, das Wiederaufbau-Programm der USA für Westeuropa, und die Luftbrücke für Berlin vor 60 Jahren erinnern.

Bush wird einen großen historischen Bogen spannen - bis hin zu seiner weltweit umstrittenen Politik der vergangenen Jahre. Denn für den Republikaner sind es die Lehren aus dem US-geführten Kampf gegen Faschismus und Kommunismus, mit denen er seinen "Krieg gegen den Terror", die Kriege in Afghanistan und im Irak und auch den Kampf gegen die nukleare Aufrüstung des Iran begründet. Merkel und Bush werden deshalb auch noch einmal über die Atompolitik Teherans reden. Der Präsident hat nicht mehr viel Zeit, sich mit einem positiven Schlusskapitel in den Geschichtsbüchern zu verewigen. Wie sein Vorgänger Bill Clinton hat sich auch Bush zum Ende seiner Amtszeit noch einmal dem Nahost-Friedensprozess zugewandt. Immerhin arbeiten Israelis und Palästinenser nun offiziell an einem Friedensabkommen - möglicherweise auf US-Druck. Merkel wird ihren Gast zu den Hintergründen fragen.

Keine Annäherung in strittigen Fragen erwartet

Annäherungen in strittigen Fragen erwartet das Weiße Haus kaum. Dazu gehört die Haltung zu Moskau. Bush rechnet auch nicht damit, dass Berlin nun ausgerechnet zum Ende seiner Amtszeit das Militär- Engagement in Afghanistan verstärkt. Diese Frage wird sein Nachfolger an die Kanzlerin richten - egal, ob es der Demokrat Barack Obama oder der Republikaner John McCain ist.

Ohnehin wird sich die Kanzlerin brennend dafür interessieren, wie Bush, nachdem die Situation bei den Demokraten klar ist, das Rennen um das Weiße Haus einschätzt. Sie denkt schon an den Neuen. Wie lange sie dann tatsächlich mit ihm zu tun haben wird, hängt aber mehr von der deutschen Innenpolitik ab, weniger von ihren Außenaktivitäten. In gut einem Jahr ist Bundestagswahl - der wichtigere Termin am Mittwoch dürfte für Merkel nicht die Verabschiedung Bushs sein, sondern die Koalitionsrunde am Abend.

Von Ulrich Scharlack und Lazlo Trankovits, dpa

Quelle: ntv.de

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