Dossier

Zwischen allen Stühlen Montenegro auf der Suche

Europas jüngster Staat, der kleine Adriastaat Montenegro, feiert seinen ersten Geburtstag. Doch obwohl ihm die Europäische Union ein gutes Zeugnis für seine Entwicklung ausstellt, hat das Land weder innenpolitisch, wirtschaftlich noch außenpolitisch seinen eigenen Weg gefunden. Die Kluft zwischen Anhängern (55 Prozent der Bevölkerung) und Gegnern der Selbstständigkeit ist noch nicht überwunden. Wirtschaftlich hat sich das Land in die Hände zweifelhafter russischer Milliardäre begeben. Außenpolitisch sitzt es zurzeit zwischen allen Stühlen.

Um sich die USA gewogen zu machen und deren Aufbauhilfe fürs eigene Militär zu sichern, habe man sich verpflichtet, US-Soldaten in keinem Fall an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag auszuliefern. So hat es Ministerpräsident Zeljko Sturanovic dargestellt. Brüssel hat inzwischen von ihm die Aufhebung des entsprechenden Abkommens mit den USA verlangt, wenn auch der Abschluss des für Oktober geplanten Assoziierungsabkommens nicht gefährdet sein dürfte.

Das im Innern tief gespaltene Land ringt seit Wochen um die neue Verfassung. Strittig ist der Name der Landessprache, obwohl das Montenegrinische nur ein Dialekt des Serbischen ist und das Serbische zu jugoslawischen Zeiten noch als Serbokroatisch anerkannt war. Gestritten wird auch darüber, ob neben der Serbisch-Orthodoxen Kirche (SPC) auch noch eine eigene montenegrinisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft (CPC) existiert. Zwar hatte die Polizei deren Versuch vereitelt, von der SPC gewaltsam einige Klöster und Kirchen zu übernehmen. Doch sie hat Auftrieb erhalten, nachdem Staatschef Filip Vujanovic ihren Metropoliten Mihajl erstmals offiziell empfangen hatte.

Problemfall Djukanovic

Die Opposition hatte erst vor wenigen Tagen wieder im Parlament beklagt, Montenegro sei ein "Privatstaat" einiger Familien unter Führung des langjährigen Staats- und Regierungschefs Milo Djukanovic. Der hatte sich zwar von allen politischen Ämtern zurückgezogen. Doch der sich langsam drehende politische Wind zwang ihn zu einer Kehrtwende. Mitte Mai hat er sich erneut zum Vorsitzenden der mächtigen Regierungspartei DPS wählen lassen. Die Angriffe der Opposition seien "fehl am Platze und ehrenrührig", sagte der nach der Wahl.

Kritiker werfen Djukanovic und seinen Anhängern vor, die wichtigsten Wirtschaftsbetriebe an russische Milliardäre verhökert zu haben. Dabei hätten sie für sich schöne Provisionen eingestrichen. Montenegro drohe "eine russische Kolonie" zu werden, warnte Oppositionsführer Nebojsa Medojevic. Fest steht jedenfalls, das reiche Russen in großem Stil Land an der montenegrinischen Küste erworben haben und die Preise damit explodieren ließen. "Die Russen kaufen einfach alles zu jedem Preis" und "Montenegro: Staat zu verkaufen", heißt es in den regierungskritischen Medien.

Thomas Brey, dpa

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen