Dossier

Spekulationen um Nachfolge Nordkorea lässt wählen

Wahlen in Nordkorea gelten als reine Formsache. Anders wird es auch diesmal nicht sein, wenn mit mehr als einem halben Jahr Verspätung die Wahlen zur 12. Obersten Volksversammlung (Parlament) in dem kommunistischen Land abgehalten werden sollen. Dann werden wie schon in der Vergangenheit die Kandidaten, darunter auch Militärmachthaber Kim Jong Il, wohl 100 Prozent Zustimmung der Wähler erhalten. Doch steht nicht der Ausgang dieses staatlich orchestrierten Wahltheaters im Mittelpunkt. Vielmehr erhofft man vor allem in Südkorea, dass sich der Vorhang ein wenig lichten könnte, hinter der sich die politische Zukunft des Nachbarlandes verbirgt.

Denn mit den Berichten über eine mutmaßliche Erkrankung Kims im vergangenen Sommer ist auch die Frage der Nachfolgeregelung zu einem Zeitpunkt wieder in den Vordergrund gerückt, da sich die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verschärft haben. Nordkorea, das der Regierung in Seoul eine Konfrontationspolitik unterstellt, stößt seit Wochen kriegerische Drohungen aus. In den offiziellen Medien wird davor gewarnt, dass die Halbinsel "am Rande eines Krieges" stehe. Trotz dieser spannungsgeladenen Atmosphäre soll die Ansetzung der Wahlen nach Meinung von Beobachtern das Gefühl der politischen Normalität hervorrufen. So wird die Wahl als Zeichen dafür gewertet, dass Kim wieder einigermaßen genesen ist und die Zügel bei den Regierungsgeschäften in der Hand hat.

Möglicherweise Schlaganfall erlitten

Der 67-jährige Diktator war wochenlang von der öffentlichen Bildfläche verschwunden. Nach Informationen des südkoreanischen Geheimdienstes erlitt er einen Schlaganfall. Seine Abwesenheit könnte demnach auch der Grund für die Verschiebung des Wahlgangs gewesen sein. Die fünfjährige Amtszeit der Deputierten der Volksversammlung lief im vergangenen Jahr ab. Die derzeit 687 Mitglieder wurden 2003 gewählt. Es wird damit gerechnet, dass Kim erneut als Vorsitzender der mächtigen Nationalen Verteidigungskommission bestätigt wird, wenn das neue Parlament zusammentritt.

Da kaum Informationen aus dem inneren Machtzirkel in Pjöngjang nach außen dringen, reißen auch die Spekulationen um mögliche Positionskämpfe und die Machtnachfolge nicht ab. Zuletzt kursierten in den südkoreanischen Medien Gerüchte, wonach Kim seinen jüngsten von drei Söhnen, Jong Un, per Weisung als seinen Nachfolger ernannt habe. Nach Berichten der Nachrichtenagentur Yonhap ließ sich Kim Jong Un - er soll 24 oder 25 Jahre alt sein - als Kandidat für die Wahl aufstellen. Wie früher in anderen kommunistischen Ländern ist auch in Nordkorea die Nachfolgeregelung nicht institutionalisiert. Sollte der Sohn gewählt werden, wäre das zumindest ein Hinweis darauf, dass er als Machterbe aufgebaut werden könnte.

Volk muss wählen

Kim Jong Il hat selbst hat sich für den Wahlbezirk 333 registrieren lassen. In einem offenen Brief hatte er Mitte Februar die Wahlberechtigen des 23 Millionen-Volkes zur Stimmabgabe aufgefordert. Wähler können in ihrem Bezirk nur mit "nein" oder "ja" für einen Kandidaten stimmen, der zuvor von der Arbeiterpartei nominiert wurde. Das Fernbleiben von der Wahl gilt in Nordkorea nach Angaben von Überläufern aus dem Land als "politisches Vergehen".

Die Oberste Volksversammlung ist nominell das höchste Machtorgan des Staates. Sie tritt aber normalerweise nur zweimal jährlich für nur wenige Tage zusammen, um den Haushaltsplan für das laufende Jahr zu verabschieden und sich mit politischen Leitlinien zu befassen. Auf den Sitzungen werden weitgehend vorher gefasste Beschlüsse der Arbeiterpartei ratifiziert.

Dirk Godder, dpa

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen