Kennedy-Romantik Obama vor dem Tor?
08.07.2008, 17:04 UhrEs könnte ein symbolträchtiger Auftritt werden. Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama spielt mit dem Gedanken, bei seinem geplanten Besuch in Europa Ende Juli vor dem Brandenburger Tor zu sprechen. Mit Charisma, gefühlvoller Rhetorik und Visionen für ein anderes Amerika nach George W. Bush hat sich der 46-Jährige im Vorwahlkampf gegen Konkurrentin Hillary Clinton durchsetzen können. Eine Rede an jenem geschichtsträchtigen Ort Berlins, unweit der neuen US-Botschaft, könnte nun Erinnerungen an John F. Kennedy wecken, der in der geteilten Stadt 1963 vor dem Rathaus Schöneberg "Ich bin ein Berliner" proklamierte und damit Zuhörer in aller Welt zu Tränen rührte.
Doch Obamas Auftritt ist alles andere als beschlossene Sache. Skeptisch zeigt sich vor allem die Bundesregierung. Befürchtet wird, dass die Bilder von einem strahlenden Obama, der Zehntausenden begeisterten Berlinern zuwinkt, als Parteinahme Deutschlands im US-Wahlkampf verstanden werden könnte. Denn eine solche Obama-Show würde der 71-jährige republikanische Kandidat John McCain wohl kaum toppen - gleichgültig, wie herzlich er von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen würde, wenn er vor der Wahl im November ebenfalls eine Reise in die deutsche Hauptstadt antritt.
In der Vergangenheit sei das Brandenburger Tor nur bei ausgesuchten Anlässen zu politischen Kundgebungen genutzt worden, heißt es aus den Regierungskreisen. Und dieses Privileg sei dann nur gewählten Präsidenten vorbehalten gewesen. Ein Argument, dass nicht ganz schlüssig erscheint. Denn in diesem Jahr sprach auch schon der Dalai Lama vor dem Tor - was trotz aller religiösen Ratschläge des geistlichen Oberhaupts der Tibeter kaum als unpolitischer Auftritt gewertet werden kann. Und gewählt wurde der Dalai Lama streng genommen auch nicht, sondern "wiedergeboren" als Reinkarnation seines Vorgängers.
Mit symbolischen Orten hat die Bundesregierung überhaupt gerade ihre Sorgen. Denn ausgerechnet das traditionelle Gelöbnis der Bundeswehrrekruten, das am 20. Juli zum Jahrestag eines der Hitler- Attentate abgehalten werden soll, darf nach einem überraschenden Entscheid des Bezirksamts Berlin-Mitte nicht vor dem Reichstagsgebäude stattfinden. Eine Erlaubnis gebe es nur, "wenn das überwiegende öffentliche Interesse dies erfordert und die Folgebeseitigung gesichert ist", heißt es in einem Schreiben der Behörde.
Im Fall Obama, der vier Tage später in Berlin-Mitte auftreten will, könnte die Regierung nun ihre Hoffnungen ausgerechnet auf jene eifrigen Beamten setzen, die das Gelöbnis vor dem Reichstagsgebäude verhindern wollen. Denn vielleicht erteilt das Bezirksamt ja auch dem Präsidentschaftskandidaten keine Genehmigung für seine Rede am Brandenburger Tor. Die Chancen dafür stehen allerdings schlecht: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sprach sich bereits für Obamas Auftritt aus.
Von Alexander Missal, dpa
Quelle: ntv.de