Dossier

Nach den Festnahmen Österreich geschockt

Die Schlagzeilen der Wiener Tagezeitungen schockten die Leser. "Terroralarm - El Kaida in Wien"!" titelte am Donnerstag der "Kurier". Auch die "Salzburger Nachrichten" warnten: "Drohungen gegen Österreich - Islamisten in Wien verhaftet". Jahrelang galt die Alpenrepublik - was die Gefahr des internationalen Terrorismus betrifft - als "Insel der Seligen". "Wir stehen nicht im Fadenkreuz der Extremisten", meinten österreichische Verfassungsschützer noch 2004. Doch die Festnahme von drei Islamisten am Mittwoch in Wien hat die Diskussion um die Terrorgefahr an der Donau voll entfacht.

Terroranschläge in den 70er und 80er Jahren

Schon in den 70er und 80er Jahren war das Land vom internationalen Terrorismus schwer getroffen worden. Im September 1973 nahmen zwei Terroristen nach mehreren Vorwarnungen am Grenzkontrollamt Marchegg fünf jüdische Einwanderer und einen Zöllner als Geiseln, um die Schließung eines Auffanglagers für jüdische Emigranten aus Osteuropa zu erzwingen. Der damalige Kanzler Bruno Kreisky gab der Forderung - sehr zur Empörung Israels - nach. Kreisky wurde vorgeworfen, dem Terror nachzugeben, um Gewalt von Österreich künftig fernzuhalten.

Zwei Jahre später überfiel der "Welt-Terrorist" Carlos das Gebäude der OPEC in Wien und nahm 70 Geiseln, darunter fast alle Ölminister. Einer von ihnen wurde getötet. Die österreichische Regierung ließ Carlos mit Geiseln abreisen. Daraufhin wurde Wien vorgeworfen, sich bewusst mit dem Terror arrangiert zu haben, um weitere Attentate zu verhindern. Weitere Anschläge folgten, darunter zwei auf die jüdische Synagoge 1979 und 1981. Beim zweiten Überfall kamen zwei Menschen ums Leben. Der letzte große Anschlag arabischer Terroristen ereignete sich 1985, als ein PLO-Kommando am Flughafen Wien-Schwechat vier Handgranaten auf Reisende der israelischen Fluglinie El Al schleuderte und zwei Menschen töteten.

"Sie können nicht genug auf der Hut sein"

Ungeachtet dieser Anschläge fühlten sich die Österreicher in den folgenden Jahren sicher. Doch Terrorexperten meinten vor allem nach dem 11. September, Österreich sei sehr wohl ein Magnet für Terroristen, da diese hier weitgehend unbeobachtet operieren und im Rahmen des internationalen Terrornetzwerks ihre Fäden spinnen könnten. "Die Terroristen benutzen Wien für Logistik, Kommunikation und als Basis. Sie könnten zuschlagen, wo es niemand erwartet. Sie können nicht genug auf der Hut sein", warnte der US-amerikanische Terrorismus-Experte Yonah Alexander bereits 2003: "Sie haben die OPEC in Wien. Sie haben US-Interessen wie die amerikanische Botschaft. (...) Sie können nicht in einer Traumwelt leben!"

Doch die mahnenden Worte wurden zunächst nicht allzu ernst genommen. Empörung löste aus, als die damalige konservative Innenministerin Liese Prokop 2005 eine Untersuchung ihres Ministeriums zitierte, wonach 45 Prozent aller in Österreich lebenden knapp 400 000 Muslime "nicht integrationswillig" seien. Prokop wurde von allen Seiten massiv angegriffen, weil sie zwar von "einer tickenden Zeitbombe" sprach, den fragwürdigen Bericht jedoch nicht veröffentlichen ließ.

Vertreter der islamischen Gemeinschaft in Österreich betonten nach den Festnahmen vom Mittwoch, dass die ganz große Mehrheit der Muslime in der Alpenrepublik demokratisch gesinnt und nicht militant sei. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie der Universität Wien distanzieren sich 99 Prozent aller jungen Muslime von der Gewalt. Doch bleiben immer noch einige, die die Gewalt grundsätzlich nicht ablehnen. Angesichts dieser Entwicklung brach bereits am Donnerstag eine heftige Debatte aus, in der vor allem die rechtsgerichteten Parteien verschärfte Maßnahmen gegen Muslime forderten. So verlangte etwa das rechte "Bündnis Zukunft Österreich" sofort die Einrichtung einer "SOKO Islam".

Von Christian Fürst, dpa

Quelle: ntv.de

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