Bagdad habe die Lage im Griff Premier rüttelt am Irak-Bild
23.07.2008, 08:41 UhrEs muss offenbar zwei Länder mit dem Namen Irak geben. Dieser Eindruck drängte sich im Kanzleramt auf, als der irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki neben Bundeskanzlerin Angela Merkel die Lage in seinem Land schilderte. Das in Deutschland bekannte Bild vom Irak, das seine Hauptstadt immer noch in unterschiedliche Sicherheitsstufen - in "rote" und "grüne" Zonen - einteilt, will der Regierungschef so nicht stehen lassen. Bagdad ist aber immer noch eine Stadt, in der aus Angst vor Anschlägen viele Straßensperren errichtet sind. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat das erst kürzlich bei seinem Besuch erlebt.
Nein, der kräftige Herr mit der Goldrand-Brille will in diesen Minuten, wie er selbst sagt, genau dieses Bild revidieren und einen aus seiner Sicht gerechten Eindruck von seinem Land verschaffen. Als Al-Maliki gefragt wird, wann die Iraker selbst in der Lage sein werden, für die Sicherheit zu sorgen, gibt er wie selbstverständlich zurück, dass dies längst der Fall sei. "Wir sind in der Lage, die Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen." Und dennoch patrouilliert nach wie vor US-Militär in der Hauptstadt, um Ruhe und Ordnung einigermaßen sicherzustellen.
Uneins über Sicherheit
Merkel scheint dies nicht so recht zu glauben. Man könne nicht sagen, dass alles sicher ist, sagte sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Al-Maliki in Berlin. Auch das Auswärtige Amt ist mehr als skeptisch: "Vor Reisen nach Irak wird eindringlich gewarnt. Deutschen Staatsangehörigen wird dringend geraten, das Land zu verlassen", heißt es auf den Irak-Seiten des Amts im Internet. Al-Maliki wird fast ein wenig unwirsch, als die Kanzlerin das sagt.
Und doch unternimmt die Bundesregierung so etwas wie eine kleine Irak-Offensive. Nicht nur, dass Glos vor zehn Tagen als erster deutscher Minister seit Hans-Dietrich Genschers Visite im Jahr 1987 in Bagdad persönlich vorbeischaute. Auch Merkel griff am Dienstag tief in die Kiste der diplomatischen Wortgirlanden. Sie sah nicht mehr oder weniger die Möglichkeit, dass nun ein "neues Kapitel" mit dem Land aufgeschlagen werden könnte.
Zuversicht gewinnt an Boden
Al-Maliki zeichnete bei seinem ersten Deutschland-Besuch ein vielleicht zu positives Bild über die Situation seines Landes, um auch die deutschen Investoren zu locken. Aber auch deutsche Diplomaten klingen mittlerweile zuversichtlicher, wenn sie sagen, dass die Lage stabiler wird und sich der Irak für Europa mehr öffnen werde.
Der deutsche Botschafter Hanns Heinrich Schumacher sagte kürzlich im Deutschlandradio, angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes würden sich die drei zerstrittenen Volksgruppen Schiiten, Sunniten und Kurden zunehmend darüber klar, dass sie zusammenarbeiten müssten, wenn sie an dem Reichtum teilhaben wollten.
Gefahr überwiegt Geschäft
Der Irak sei bereits jetzt ein reiches Land. "Ich glaube, dass die Währungsreserven schon heute bei weitem den Wert der Auslandsschulden übersteigen", sagte Schumacher. Kein Wunder, dass auch schon einige Firmen in Deutschland vom großen Geschäft in dem Land mit den drittgrößten Erdölvorkommen der Welt träumen. Noch träumen sie mehr davon, weil ihnen die Gefahr für ihre Mitarbeiter angesichts früherer Entführungen nur zu bewusst ist.
Dabei hätte die deutsche Wirtschaft ganz gute Chancen, da es eine lange Tradition der Kooperation gibt. Merkel machte auch einen Vorschlag, wie Sicherheit und Wirtschaftsengagement vielleicht zu verbinden wären: Man müsse ja die Geschäfte im Irak nicht unbedingt von Deutschen wahrnehmen lassen. Es ginge ja auch mit irakischen Mitarbeitern, sagte die Kanzlerin pragmatisch.
Ulrich Scharlack und Gerd Reuter, dpa
Quelle: ntv.de