Dossier

Bundesbank-Vorstand Sarrazin Provokationen am laufenden Band

Nach den bösen Worten gegen Ausländer hat sich Thilo Sarrazin entschuldigt. Das heißt aber nicht, dass es die letzte Spitze dieser Art gewesen sein dürfte. Denn provoziert hat er schon immer.

Auch als Bundesbank-Vorstand lässt sich Thilo Sarrazin nicht den Mund verbieten.

Auch als Bundesbank-Vorstand lässt sich Thilo Sarrazin nicht den Mund verbieten.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Er ist ironisch, unverfroren, direkt: Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin hat in seiner ganzen Laufbahn provoziert. Schon als Berliner SPD-Finanzsenator hat er sich damit Feinde gemacht, doch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) brauchte einen Haushaltssanierer und hielt seine schützende Hand über ihn. Seit Mai nun sitzt Sarrazin in der ehrwürdigen Frankfurter Behörde. Zu seinem neuen Job gehören Diskretion und Zurückhaltung - Eigenschaften, die dem 64-Jährigen fremd sind. Notenbanker haben kein Mandat, sich in allgemeine politische oder gesellschaftliche Fragen einzuschalten. Auch deswegen ist die Empörung in der Bundesbank groß.

Gerade erst hatte sich die Bundesbank von dem Skandal um Ex- Präsident Ernst Welteke erholt, der 2004 wegen einer Gratis- Übernachtung auf Kosten einer Bank im Berliner Luxushotel "Adlon" zurücktreten musste. Und jetzt die Affäre Sarrazin.

Hartz-IV-Empfänger liebstes Feindbild

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat Sarrazin meistens in Schutz genommen.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat Sarrazin meistens in Schutz genommen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Immer wieder hat sich Sarrazin als Provokateur präsentiert. Die Trägheit und Anspruchshaltung mancher Hartz-IV-Empfänger ist sein liebstes Feindbild. 2008 ließ er im Detail ausrechnen, dass man sich vom Hartz-IV-Tagessatz für Essen - vier Euro - ausreichend und gesund ernähren könne. SPD und Linke schäumten. Sarrazin musste sich entschuldigen. Wirbel löste er auch mit folgendem Sparvorschlag aus: "Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können."

Keine zwei Wochen nach seinem Amtsantritt bei der Bundesbank wetterte Sarrazin unverblümt gegen Bankberater, Hartz-IV-Empfänger und Eltern, die nicht die zur Kindererziehung nötigen Eigenschaften hätten. Die Politik solle dafür sorgen, dass nur diejenigen Kinder bekämen, die "damit fertig werden", forderte Sarrazin. Der Sozialverband VdK reagiert empört: "Es ist an Absurdität kaum zu übertreffen, dass man seinen Lebensstandard durch Kinder verbessern können soll." Sarrazins neuer Arbeitgeber war "not amused".

Bundesbank distanziert sich

Als Finanzsenator hat sich Sarrazin nicht überall einen guten Ruf erarbeitet.

Als Finanzsenator hat sich Sarrazin nicht überall einen guten Ruf erarbeitet.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Mit den jüngsten Äußerungen gegen die Unterschicht in Berlin, die mit ausländerfeindlichen Untertönen gespickt sind, hat Sarrazin den Bogen überspannt. "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert", hatte er in einem Interview gesagt. Die Bundesbank distanzierte sich ungewöhnlich scharf, und Sarrazin musste öffentlich klein beigeben. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Dabei wurde Sarrazins fachliche Kompetenz selten bestritten. Der Diplom-Volkswirt diente als Beamter in Bonn seit 1974 allen Bundesfinanzministern von Hans Apel (SPD) bis Theo Waigel (CSU). Unter Waigel arbeitete Sarrazin 1990 maßgeblich die Grundzüge der deutsch-deutschen Währungsunion aus. Später arbeitete er als Staatssekretär in Rheinland-Pfalz, dann bei der Treuhand und der Deutschen Bahn. Dort trennte er sich 2001 im Streit mit Bahn-Chef Hartmut Mehdorn.

Der akribische Rechner

In Berlin galt Sarrazin als akribischer Rechner und kompromissloser Haushälter. Er schaffte es, das Haushaltsloch von knapp fünf Milliarden Euro Minus durch einen strikten Sparkurs und mit Hilfe der guten Konjunktur abzubauen.

Doch Sarrazin gilt als Sturkopf. Schon vor Jahren bekannte er: "Der Umgang mit mir war nicht immer einfach."

Quelle: ntv.de, Marion Trimborn, dpa

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