Dossier

n-tv Interview Reform des UN-Sicherheitsrats

John Bolton, der ehemalige Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen in New York, räumt Deutschland wenig Chancen ein, einen Ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu bekommen. "Wenn Europa dann drei Sitze erhält, sollten die USA auch drei Sitze bekommen", so Bolton in Washington gegenüber n-tv. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vergangene Woche Deutschlands Anspruch auf einen Ständigen Sitz untermauert. Im November wird sie über dieses Thema auch mit US-Präsident Bush in Crawford, Texas, sprechen. Derzeit gehören dem Sicherheitsrat die USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien an.

n-tv: Mr. Bolton, seit Jahren werden Reformen des UN-Sicherheitsrates diskutiert. Welche Schritte sollten ihrer Ansicht nach unternommen werden?

John Bolton: In der Tat, seit Jahren wird darüber in New York gesprochen. Aber bislang gab es nie einen Konsens, wie die Formel von 1945 geändert werden sollte. Verschiedene Staaten glauben, ihnen stehe ein Ständiger Sitz im Sicherheitsrat zu, aber die Opposition in den UN hat bislang jede Reform blockiert. Und wenn man sich die Politik der Generalversammlung ansieht, kann man davon ausgehen, dass das in absehbarer Zeit so bleiben dürfte.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat, wie schon zuvor Gerhard Schröder, darauf hingewiesen, dass Deutschland bereit sei, mehr Verantwortung zu übernehmen. Sehen Sie für Deutschland eine Chance, zumal Europa schon durch Frankreich und Großbritannien vertreten wird?

Lassen Sie mich das so sagen: Wenn Europa drei Ständige Sitze erhält, dann sollten die USA auch drei Ständige Sitze bekommen. Andere Länder argumentieren: Europa ist, wie es selbst sagt, ein Staat, der sich im Aufbau befindet. Wenn das wahr ist, dann sollte Europa einen Sitz haben statt zwei, geschweige denn drei. Andere wollen ebenfalls einen Ständigen Sitz: zum Beispiel Brasilien, Indien, Südafrika, Nigeria, Indonesien. Die Liste ist lang. Und das ist auch der Hauptgrund dafür, dass es bislang keine Einigung gibt in New York. Und meine Vorhersage ist, nachdem ich mich 15 Jahre mit diesem Thema befasst habe, dass wir auch in Zukunft eine gegenseitige Blockade der Länder erleben werden.

Glauben Sie, Deutschland hat überhaupt eine Chance, angesichts der Tatsache, dass US-Präsident Bush öffentlich nur Japan unterstützt?

Es hat eine lange Tradition in den USA, zurückgehend auf Präsident Nixon, Japan zu unterstützen. Und Sie können sehen, wieweit Japan damit gekommen ist. Ich glaube gegenwärtig ist es nur schwer vorstellbar, dass irgendein Land genug Unterstützung bekommt, ohne ein Veto zu provozieren. Selbst in der Europäischen Union gibt es keine einheitliche Meinung, da sich Italien gegen Deutschland ausgesprochen hat. Das allein zeigt die Komplexität des Themas und dass, auch wenn man eine Reform des Sicherheitsrates für notwendig hält, wahrscheinlich alles so bleibt, wie es ist.

Bundeskanzlerin Merkel trifft US-Präsident Bush im November erstmals in Crawford, Texas. Wie beurteilen Sie heute die deutsch-amerikanischen Beziehungen?

Ich glaube, die Beziehungen sind stärker. Ein Thema wird sicherlich der Iran sein und wie wir mit dem Atomprogramm dort umgehen. Wir haben nach den Wahlen in Frankreich gesehen, dass sich der Standpunkt der Regierung in Paris unter Sarkozy geändert hat. Das wird den beiden in Texas viel Gesprächsstoff liefern. Es ist nur ein Beispiel für die engere Zusammenarbeit der USA und Deutschland, seitdem Bundeskanzlerin Merkel im Amte ist.

Mit John Bolton sprach Christian Wilp

Quelle: ntv.de

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