Der heimliche Wandel der CDU "Röschen" statt Erhard
14.02.2007, 12:27 UhrDie "Entwicklung der Vaterrolle" des deutschen Mannes ist eines der Lieblingsthemen von Ursula von der Leyen. Und wenn die Familienministerin darauf zu sprechen kommt, bekommen ihre Worte mitunter einen leicht missionarischen Klang. "Junge Frauen wollen heute Beruf und Kinder. Und sie wünschen sich einen Partner, der genauso Verantwortung auf den beiden Gebieten übernimmt", berichtete die siebenfache Mutter in einem "Stern"-Interview. Das "Dilemma" sei nur, dass "die männliche Rolle hinterherhinkt." Im Klartext: Die meisten Herren der Schöpfung haben aus Sicht der Ministerin noch erheblichen Nachholbedarf, wenn es um Erziehung und Partnerschaft geht.
In den 14 Monaten ihrer Amtszeit hat es die Medizinerin aber nicht bei Diagnosen des männlichen Lebenswandels bewenden lassen. Unterstützt von Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel, die sich nach außen hin zwar meist bedeckt hält, ihr intern aber energisch den Rücken freihält, hat von der Leyen zudem die CDU-Familienpolitik im Eiltempo vom Kopf auf die Füße gestellt. Die steuerliche Förderung der häuslichen Betreuung der Kinder, die Einführung des Elterngeldes und nun ihr Vorschlag für den Ausbau der Krippenplätze sowie zur Einführung eines Familiensplittings: All das war im Unions-Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2005 noch mit keinem Wort erwähnt. Von der Leyen hat die Punkte dennoch durchgesetzt - oder ist auf dem bestem Wege dazu.
Die Ministerin, von Kindesbeinen an "Röschen" genannt, lächelt zwar immer freundlich. Die Konservativen in der Union reagieren angesichts des rasanten Wandels des Familienbilds ihrer Partei allerdings zunehmend vergrätzt. Jörg Schönbohm, Ex-General und noch Brandenburgs Innenminister, bläst zur Gegenattacke: "Frau von der Leyen steht für eine Politik, die den Menschen vorschreiben will, was sie zu tun haben. Ich möchte nicht, dass diese CDU Frauen unter Rechtfertigungszwang setzt, wenn sie sich dafür entscheiden, zu Hause zu bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern", schimpft er.
Im CDU-Präsidium waren am Montag die anwesenden Herren auch nicht durchgängig begeistert, als über den Ausbau der Kita-Plätze diskutiert wurde. Fraktionsvize Ilse Falk hatte von der Leyen schon zuvor vorgehalten, sie nehme sich die flächendeckende Krippen-Unterbringung in der DDR zum Vorbild. Und in der Runde mit der Kanzlerin warnte auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder davor, nun nicht die Familien zu vergessen, in denen sich die Frau daheim um den Nachwuchs kümmert.
Die CDU hat sich im ersten Quartal der Regierungszeit von Angela Merkel mehr gewandelt als in vielen Jahren der Opposition. Neben der Revolution in der Familienpolitik will die Partei jetzt grüner werden und sich den lange von der CDU vernachlässigten Themen Umwelt und Verbraucherschutz zuwenden. An den Rand gedrängt fühlen sich aber neben den Konservativen vor allem die Wirtschaftsliberalen. Die Unruhe, die nach dem Rückzug von Wirtschaftsfachmann Friedrich Merz - er stand für beide Strömungen - entstand, ist nur ein Symptom für die momentane Stimmungslage.
Das ist die andere Seite des Wandels der Union: Im Mittelstand, einer klassischen Stammklientel der CDU, ist der Frust nach einem Jahr große Koalition weit verbreitet. An ihren programmatischen Forderungen für mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt hat Merkel zwar keine Abstriche gemacht, aber durchsetzen konnte die Union aus Sicht des Wirtschaftsflügels in der großen Koalition so gut wie nichts. Die Reform der Erbschaft- und Unternehmersteuer, die Union nur zu gern als ihre Erfolge verkaufen will, ist noch längst nicht beschlossene Sache.
Der Chef der Mittelstands-Union Josef Schlarmann moniert, dass die Union einschließlich der Kanzlerin "keinen Mut mehr hat, sich klar zu wirtschaftspolitischen Positionen zu bekennen, wenn es sozialpolitisch kneift." Das bürgerliche Lager habe ein Problem, sich mit der derzeitigen Politik der Union zu identifizieren. Der CDU-Wirtschaftsrat zürnte, der Unions-Kurs sei "verwaschen und beliebig". Aus Sicht des Wirtschaftflügels erinnert sich die Kanzlerin und die Partei derzeit zu wenig an die Lehren des Vaters der Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard.
(Ulrich Scharlack, dpa)
Quelle: ntv.de