Sacharow-Preis für Hu Jia Schlag für China
23.10.2008, 11:56 UhrDie Verleihung des Sacharow-Preises des Europäischen Parlaments an den eingesperrten chinesischen Dissidenten Hu Jia ist ein schwerer Schlag für China. Nur einen Tag vor dem bisher größten Europa-Asien-Gipfel (ASEM) in Peking zeichnen die europäischen Parlamentarier trotz chinesischer Proteste einen unermüdlichen und mutigen Bürgerrechtler aus. Hu Jia kämpft nicht nur für Demokratie und Menschenrechte in China, sondern auch gegen die Immunschwäche Aids. Nicht zuletzt wegen seiner Kritik an Menschenrechtsverstößen in China während einer Anhörung des Europa-Parlaments sperrte die Staatsgewalt Hu Jia vor einem Jahr ins Gefängnis.
Obwohl er praktisch unter Hausarrest stand, hatte Hu Jia am 26. November 2007 über eine Webcam und das Internet an der Anhörung teilgenommen und eine "Menschenrechtskatastrophe" in China beklagt. Eine Million Menschen in China würden wegen ihres Einsatzes für ihre Bürgerrechte verfolgt, viele in Lager oder psychiatrische Anstalten gesteckt, kritisierte Hu Jia damals. Hohe Staatssicherheitsbeamte seien an den Olympischen Spielen beteiligt - so als wenn "die Mafia die Verantwortung für die Spiele übernimmt".
Seit Jahren unter Beobachtung
Das Risiko war Hu Jia bewusst. Er lebte schon seit Jahren unter ständiger Beobachtung in seiner Pekinger Wohnanlage, die ausgerechnet "Stadt der Freiheit" heißt. Wachposten standen vor seiner Tür, sein Telefon wurde abgehört. Hu Jia war den Staatsorganen schon lange ein Dorn im Auge. Unbeirrt von Einschüchterungen sammelte er Informationen über das Schicksal anderer Bürgerrechtler, unterstützte HIV-Infizierte, kritisierte die Korruption und das Versagen der kommunistischen Parteikader.
"Ich weiß, wenn sie an die Tür klopfen, bedeutet das, dass sie mich mitnehmen wollen", sagte Hu Jia kurz vor seiner Festnahme in Peking. Im Dezember 2007 war es dann soweit - er wurde verhaftet. Ungewöhnlich schnell machte das System ihm den Prozess. Im April, drei Monate vor den Olympischen Spielen, schickte die chinesische Justiz Hu Jia für dreieinhalb Jahre hinter Gitter. Die Anklage warf ihm vor, "Artikel auf ausländischen Webseiten veröffentlicht, Kommentare in Interviews mit ausländischen Medien gemacht und wiederholt die Leute angestiftet zu haben, das politische und sozialistische System in China zu untergraben".
Forderung nach Freilassung
Das Europa-Parlament und sein deutscher Präsident Hans-Gert Pöttering (CDU) mussten hilflos zusehen; vergeblich forderten sie seine Freilassung. Menschenrechtsgruppen sahen einen "klassischen Fall von politischer Verfolgung" und sprachen von einer "Säuberungskampagne" vor Olympia. Wegen ihres unerschrockenen Engagements waren Hu Jia und seine Frau, die Bügerrechtlerin Zeng Jinyan, vom US-Magazin "Time" auf die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten gesetzt worden. Hu Jia galt bei der Verleihung des Friedensnobelpreises diesen Monat als einer der aussichtsreichen Kandidaten.
Erst vor einem Jahr war Hu Jia Vater einer Tochter geworden. Der 35-Jährige, der wie seine Frau praktizierender Anhänger des tibetischen Buddhismus ist, unterstützt den Dalai Lama, den China als Separatisten betrachtet. In einem Brief hatte Hu Jia 2007 Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihr Treffen mit dem Dalai Lama gedankt, das die Beziehungen zwischen Deutschland und China getrübt hatte. Das religiöse Oberhaupt der Tibeter hatte Hu Jias Frau zu einer Privataudienz im indischen Exil empfangen und der Tochter des Paares einen tibetischen Namen gegeben.
Quelle: ntv.de, Andreas Landwehr, dpa