EU-Ausländer unerwünscht Schweiz erwägt Abschottung
11.05.2009, 16:12 UhrDeutschen und anderen EU-Ausländern wird künftig möglicherweise die Auswanderung in die Schweiz erschwert: Laut Medienberichten erwägt die Alpenrepublik, einen Einwanderungsstopp zu verhängen. Die Regierung wolle diese Woche darüber beraten, ob angesichts steigender Arbeitslosenzahlen von einer Ausnahmeklausel in den Verträgen mit der EU Gebrauch gemacht werden kann, hieß es.
In diesem Fall könnte die Freizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU vorübergehend eingeschränkt werden, was eine Verschlechterung der Beziehungen mit der EU zur Folge hätte. Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz, das durch die umstrittenen Bemerkungen von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zur Steuerpolitik ohnehin schon angespannt ist, würde durch eine solche Klausel nur weiter belastet.
Insgesamt machen Ausländer in der Schweiz ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus. Unter ihnen stellen die Italiener die größte Gruppe, dicht gefolgt von den etwa 250.000 unter den Eidgenossen lebenden Deutschen. In manchen Kantonen wie etwa Zürich stellen die Deutschen sogar die größte ausländische Arbeitnehmergruppe. 2007 war dort jeder zweite Einwanderer deutscher Herkunft.
Die Arbeitslosenzahlen sind für Schweizer Verhältnisse im Zuge der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise dramatisch gestiegen: Im April stieg die Quote im Vergleich zum April 2008 um mehr als ein Drittel an. Sie liegt zwar mit 3,5 immer noch deutlich niedriger als etwa in Deutschland mit 8,6 Prozent. Aber allein die Jugendarbeitslosigkeit kletterte um fast 46 Prozent seit dem vergangenen Jahr.
Schweiz darf Kontingente für EU-Ausländer anordnen
Am diesem Mittwoch will der Bundesrat, die Regierung in Bern, nun das Thema beraten. Von der EU-Kommission in Brüssel kam bereits die beruhigende Nachricht: Die Klausel sei bisher noch nicht angewandt worden, sagte eine Sprecherin dem Schweizer Fernsehen. "Sie hat aber Vorteile, weil Engpässe überwunden werden können", fügte sie hinzu. Zur Schweiz wollte sie sich nicht äußern.
Die Schweiz ist über so genannte zweiseitige, bilaterale Verträge mit der EU eng verbunden. Eine "Ventilklausel" erlaubt es der Schweiz, bei starker Zuwanderung die Aufenthaltsbewilligungen für Arbeitskräfte aus den 15 alten EU-Staaten sowie Zypern und Malta zahlenmäßig zu beschränken. Mit diesen Staaten besteht seit dem 1. Juni 2007 der freie Personenverkehr.
Die Einwanderung sei hoch genug, um die Klausel wirksam werden zu lassen, hieß es von Seiten des Wirtschaftsministeriums. Die Schweiz kann noch rund fünf Jahre Kontingente für EU-Ausländer anordnen - jährlich mit einer Befristung von maximal zwei Jahren. Derzeit werden monatlich etwa 5000 Anträge von EU-Ausländern für Arbeitsbewilligungen in der Schweiz gestellt. Bereits in der Schweiz arbeitende Ausländer wären nicht betroffen.
Schon melden sich aber Kantone, die gegen eine Beschränkung sind. Im Grenzkanton Thurgau hieß es, die Begrenzung könne Schweizer Firmen daran hindern, Spezialisten aus Deutschland einzustellen. Im Kanton St. Gallen sind vor allem deutsches Pflegepersonal sowie Ärzte in Krankenhäusern gefragt. Sie stellen über ein Drittel des Personals. Vor zwei Jahren verzeichnete der Ostschweizer Grenzkanton den stärksten Bevölkerungszuwachs seit 1994. An der Universität Zürich etwa waren Ende August 2008 von insgesamt 490 Professoren 165 Deutsche.
Quelle: ntv.de, Heinz-Peter Dietrich, dpa