Mutige voran Steinmeier in der "Sandburg"
17.02.2009, 14:48 UhrDer Weg ins Kanzleramt führt traditionell eher nicht über die Außenpolitik. Denn vielen deutschen Wählern sind die Abwrackprämie, die Pendlerpauschale oder Warnhinweise auf Lebensmittelverpackungen näher als etwa die Rückkehr des Irak in die internationale Staatengemeinschaft oder Deutschlands Beitrag zur UN-Mission im Libanon. Trotzdem ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an diesem Dienstag mit einer Transall der Bundeswehr in Bagdad gelandet. Er ist durch den Sandsturm gefahren, hat widerwillig eine Splitterschutzweste angelegt - und ist von der irakischen Führung mit offenen Armen empfangen worden.
Außenminister Hoschiar Sebari, der Steinmeier auf dem Rollfeld am Flughafen empfängt, hofft, dass eines Tages auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Weg in die irakische Hauptstadt finden wird. "Eingeladen habe wir sie natürlich schon", sagt er. Heute aber ist der Tag Steinmeiers.
Lammfleisch im Palast des Friedens
Auf dem Weg zum Büro des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki fährt er an einer Wohnsiedlung vorbei, in der vor allem Anhänger der schiitischen Partei Hoher Islamischer Rat im Irak (SICI) wohnen. Hier hängen noch Plakate der Kandidaten der Provinzratswahlen vom 31. Januar. In diesem Viertel findet man ausschließlich Plakate schiitischer Kandidaten. Denn in Bagdad wurde die Verbesserung der Sicherheitslage in den vergangen zwei Jahren auch dadurch erkauft, dass sich Kurden, sunnitische und schiitische Araber in die Viertel zurückzogen, in denen sie traditionell die Mehrheit hatten.
Dann geht es weiter zum Palast von Präsident Dschalal Talabani, in dem früher die Töchter des damaligen Präsidenten Saddam Hussein gewohnt hatten. Der Palast, in dem man für den Gast aus Deutschland Reis und Lammfleisch serviert, heißt jetzt offiziell Palast des Friedens. Doch im irakischen Volksmund nennt man ihn "die Sandburg", wegen der Sandsäcke, die das Gebäude nach dem Einzug Talabanis schützen sollten. Inzwischen wurden die Sandsäcke allerdings durch meterhohe Betonwände ersetzt.
Selbstbewusste Präsentation
Steinmeier hatte mit seiner Bagdad-Reise bewusst gewartet, bis die Ära von US-Präsident George W. Bush, des Vaters der Invasion von 2003, vorbei war. Der Außenminister, der forsch verkündet, für diese Reise müsse man "nicht besonders mutig sein", präsentiert sich in Bagdad selbstbewusst: als unabhängiger Staatsmann, der, wenn er neue außenpolitische Akzente setzt, vorab keine Genehmigung im Kanzleramt einholt.
Dass der Abgeordnete und frühere Innenminister Otto Schily (SPD), der im vergangenen Jahr schon zweimal im Irak war, von Sebari und Talabani fast wie ein alter Freund begrüßt wird, trübt Steinmeiers gute Laune keineswegs. Der Sandsturm lässt nach, die Sonne zeigt sich. Talabani habe derzeit mit Querelen in seiner Partei, der Patriotischen Union Kurdistans, zu kämpfen, raunt ein Diplomat Steinmeier zu. "Na, das kenne ich ja von zu Hause auch", gibt der Minister zurück und lacht.
Dass Steinmeiers SPD 2003 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, strikt gegen den Einmarsch im Irak war, ist heute in Bagdad kein Thema mehr. "Das ist doch Vergangenheit", sagt Außenminister Sebari. "Die Vergangenheit interessiert uns heute nicht mehr", sagt der kurdische Politiker, der ohne die US-Invasion zum Sturz von Saddam Hussein vermutlich noch im Exil leben würde. Sebari betonte: "Mit Deutschland wollen wir jetzt nur noch über die Zukunft reden."
Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa