Dossier

Rauchfreie Kneipen Stimmungsbild am Biertisch

Kurz vor Mitternacht wird es plötzlich unruhig in der "Fiedel", einer kleinen Eckkneipe im Osten Hannovers. Eifrig zücken Gäste Feuerzeuge, zünden sich Zigaretten an und nehmen noch ein paar kräftige Züge - zum letzten Mal. Denn in wenigen Minuten müssen sie zum Qualmen vor die Tür gehen. Dann gilt in Niedersachsen das gesetzliche Rauchverbot, damit ist das Rauchen in allen öffentlichen Gebäuden tabu. In Kneipen, Restaurants und Diskotheken darf nur noch in abgetrennten Räumen gequalmt werden.

Die letzte Kippe

"Für einen Extra-Raum ist mein Lokal zu klein", bedauert Fiedel- Inhaber Thorsten Reiners. "Deswegen verabschieden wir uns heute Abend gemeinschaftlich vom Rauch." Der 45-Jährige zelebriert den "letzten Abend mit Kippe" als Happening für seine Gäste. Auf der Theke und auf den Tischen hat Reiners deswegen Zigaretten verteilt - kostenlos. "Das ging zwar ins Geld, aber ich will verdeutlichen, dass es hier um Mitternacht wirklich vorbei ist mit der Raucherei."

Dann räumt Reiners die Aschenbecher ein und tauscht sie gegen Schälchen mit Gummibärchen und Knabbergebäck ein. "Wir setzen das Gesetz von Anfang an um", erklärt er. Viele seiner Kollegen wollen dagegen die so genannte Übergangsfrist bis zum November nutzen. Dann erst müssen Tabaksünder - Wirte und Gäste - bei Verstößen mit Strafen zwischen 5 und 1000 Euro rechnen.

Das Bier zur Zigarette

"Solange bleiben bei uns die Aschenbecher stehen", sagt die Wirtin, die in der "Pils-Stube" in der hannoverschen Altstadt hinter der Theke steht. Die Entscheidung der Regierung, Raucher künftig vor die Tür zu schicken, hält sie für geschäftsschädigend. "Viele Gäste haben schon angekündigt, seltener zu kommen, wenn gar nicht mehr geraucht werden darf", berichtet sie. "Für die gehören Bier und Zigarette einfach zusammen." So sieht das auch ein Kneipenbesucher, der gerade sein letztes Bier für diesen Abend trinkt. "Im Restaurant gehe ich zum Rauchen gerne vor die Tür. Aber in einer reinen Bierkneipe? Das ist schon eine starke Bevormundung. Vor der Tür fühlt man sich doch wie ein Aussätziger. Das schadet der Geselligkeit."

Philipp Große, der mit seiner Schwester in der "Fiedel" an der Theke raucht, hat im Ausland andere Beobachtungen gemacht. "Ich war gerade in Skandinavien unterwegs. Zum Rauchen gehen die Leute da kollektiv vor die Tür. Das steigert das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Kommunikation enorm", ist der Student überzeugt. Es sei zwar ein komisches Gefühl, seinen Espresso künftig ohne Zigarette trinken zu müssen. "Aber weniger rauchen ist ja auch nicht schlecht."

Neue Stammkunden

Zwei Stühle weiter erzählt Computer-Programmierer Oliver Jacobs, dass er den ersten Tag des Rauchverbots sogar zum Anlass nehmen will, ganz mit der Qualmerei aufzuhören. Nichtraucher Peter Müller kündigt an, in Zukunft sogar öfters kommen zu wollen. "Ich freue mich schon auf die frische Luft, die demnächst überall herrschen wird", sagt er lächelnd.

Als um kurz nach zwölf in der "Fiedel" der letzte Aschenbecher von der Theke verschwunden ist, atmet Fiedel-Mitarbeiterin Tanja Baar erleichtert auf. "Ich wache morgens mit Raucherhusten auf, obwohl ich Nichtraucherin bin", sagt sie. "Das wird sich in Zukunft hoffentlich ändern." Angst vor Umsatzeinbußen habe sie nicht. "Der Mensch gewöhnt sich an alles", ist die 32-Jährige überzeugt. Die Schälchen mit den Gummibärchen sollen schon nach kurzer Zeit leer gewesen sein.

Von Silke Katenkamp, dpa

Quelle: ntv.de

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