Angriff der Union im Wahljahr Uhrlau kaum noch zu halten
27.04.2008, 14:38 UhrEinige Tage noch, dann wird in Berlin-Mitte der Grundstein für die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) gelegt. Es ist eines der teuersten Bauprojekte der Hauptstadt: 720 Millionen Euro kostet der Komplex auf dem früheren Gelände des Stadions der Weltjugend. Von 2012 an sollen dort 4.000 Geheimdienstler ihre Arbeit machen. Und im Moment sieht es so aus, als ob BND-Präsident Ernst Uhrlau bei der Grundsteinlegung am 7. Mai auch dabei sein wird. Aber so richtig sicher ist sich dessen niemand in Berlin.
Nach einer ganzen Serie von Affären hat der deutsche Auslandsgeheimdienst fast mehr mit sich selbst zu tun als mit dem Rest der Welt. Am Wochenende stellte sich auch noch heraus, dass die Spitzel-Aktion gegen den afghanischen Handelsminister Amin Farhang wohl um einiges umfangreicher war als bislang bekannt. Nach Informationen des "Spiegels" wurde nicht nur die Festplatte des Ministers ausgeforscht, sondern das gesamte Computernetzwerk des Ministeriums. Dabei fielen dem BND über 30 E-Mails in die Hände, die Farhang mit der "Spiegel"-Reporterin Susanne Koelbl gewechselt hatte.
Uhrlau - seit November 2005 im Amt und hausintern umstritten - wurde darüber von den eigenen Leuten angeblich erst im Dezember 2007 informiert, mit einem Jahr Verspätung. Bis dann das Kanzleramt Bescheid wusste, vergingen noch einmal zwei Monate. Erst durch einen anonymen Brief wurde die Affäre schließlich publik. Die BND-Führung versucht nun, die Pannen als Überbleibsel alten Agentengeistes abzutun. Auf jeden Fall muss künftig aber jede Online-Überwachung von Uhrlau persönlich genehmigt werden.
Steinmeier entschuldigt sich
Derweil bemüht sich die Bundesregierung um Schadensbegrenzung. Zum einen gegenüber Afghanistan. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach dazu seinem afghanischen Kollegen Rangin Dadfar-Spanta in einem Telefonat sein "Bedauern" aus. Kabul nahm die Entschuldigung an. Dadfar-Spanta betonte jedoch, dass solch eine Bespitzelung zwischen befreundeten Ländern "nie wieder passieren" dürfe. "Ich bin entsetzt und abgestoßen von diesen Methoden, die in einem Rechtsstaat nichts zu suchen haben."
Schadensbegrenzung ist aber auch in Sachen BND erforderlich. Der Apparat ist zu wichtig, als dass man ihn demontieren lassen könnte. Gerade in Ländern wie Afghanistan, wo die Bundeswehr mit bis zu 3.400 Mann im Einsatz ist, wird das Wissen der Geheimdienstler dringend benötigt. "Hier geht es um den Schutz von Leib und Leben", sagt nicht nur Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Mit einer eigenen Prüftruppe will das Kanzleramt nun in den nächsten Wochen die Organisationsstrukturen des BND nochmals unter die Lupe nehmen.
Merkel verzichtet auf Rücktrittsforderung
Nur stellt sich die Frage, ob Uhrlau dies alles noch im Amt erleben wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ bereits wissen, dass ihr Verhältnis zu dem 61 Jahre alten Hamburger gestört sei. CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach warnte am Wochenende: "Uhrlau weiß selber, dass so etwas nicht wieder vorkommen darf." Direkte Aufforderungen zum Rücktritt gibt es aus den Reihen der Union an den SPD-Mann Uhrlau bislang allerdings nicht.
Spekuliert wird nun, dass die Zurückhaltung einen besonderen Grund haben könnte. Die "Welt am Sonntag" vermutet, dass die Union erst dann zum Angriff übergehen werde, falls die SPD Außenminister Steinmeier zu ihrem Kanzlerkandidaten küren sollte. Den bestehenden BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags könnte sie dann als Bühne nutzen. Die Befragung eines BND-Chefs und eines Kanzlerkandidaten in einem Untersuchungsausschuss - das gab es tatsächlich noch nie.
Von Christoph Sator, dpa
Quelle: ntv.de