Dossier

Studieren mit Kind Uni-Eltern haben's schwer

"Deutschland braucht mehr Akademiker-Kinder!", fordern Politiker und Wissenschaftler. Doch während neue Vorschriften Besserung für berufstätige Mütter versprechen, fühlt sich eine Gruppe übergangen: die Studentinnen. Studiengebühren, neues Elterngeld, straffere Stundenpläne und höherer Leistungsdruck mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge: "Diese Reformen machen es Studenten deutlich schwerer, im Studium ein Kind zu bekommen", sagt Juliane Pegel vom Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung in Oldenburg.

Dabei halten viele Frauen wie die 28-jährige Jenaerin Susann Mücke das Studium für den idealen Zeitpunkt für Nachwuchs: "Nie wieder ist man so flexibel und hat so viel Zeit für seine Kinder." Doch damit ist es nach Ansicht von Juliane Pegel vorbei. "Bei den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen ist Elternschaft eigentlich nur noch mit einer Ganztagsbetreuung oder einem Teilzeitstudium möglich." Grund sei vor allem die "Verschulung" der Studiengänge und die damit verbundene Anwesenheitspflicht. "Wenn das Kind einmal mehrere Wochen krank ist, wird das zum großen Problem." Die Intention der Reform, die Studienzeiten zu verkürzen, erweise sich als Kinderbremse.

Das neue Elterngeld verstärke den Effekt zusätzlich: "Die Studentinnen bekommen jetzt deutlich weniger Geld vom Staat als beim vorher üblichen Erziehungsgeld", sagt Juliane Pegel. Früher erhielten sie zwei Jahre lang monatlich 300 oder ein Jahr lang 450 Euro monatlich. Jetzt stünden ihnen 300 Euro monatlich für einen Zeitraum von maximal 14 Monaten zu. Um die Benachteiligung auszugleichen, hat der Bundestag im Februar beschlossen, dass Studierende mit Kind ab Herbst 113 Euro mehr Bafög bekommen, das nicht zurückgezahlt werden muss. "Das hilft aber nur Studenten, die Bafög-berechtigt sind", kritisiert Elke Middendorff von der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) in Hannover.

Nach einer Untersuchung von Middendorff sehen die meisten Akademiker den optimalen Zeitpunkt zur Familiengründung deutlich nach dem Studium. Während sich 75 Prozent der Studenten eigenen Nachwuchs wünschten, hätten nur sechs Prozent schon während des Studiums Kinder. Das Verschieben auf einen späteren Zeitpunkt erweise sich jedoch nicht immer als richtig. "Viele Akademikerinnen bleiben kinderlos, weil die Hoffnung enttäuscht wird, ein Kind besser mit dem Beruf als mit dem Studium vereinbaren zu können."

Viele Hochschulen erschweren die Kombination von Studium und Kind noch zusätzlich: "In den meisten Studienordnungen sind keine Sonderregelungen für Eltern vorgesehen, da hängt vieles vom Verständnis der Dozenten ab", bedauert Aline Garz, Betreiberin der Elternberatungsseite www.studentenkind.de. Die Kombination von Kind und Studium kostet die jungen Eltern laut HIS deshalb im Schnitt rund vier Semester.

Mancherorts sehen die Hochschulen in den Schwierigkeiten indes eine Chance, sich mit dem Etikett "familienfreundlich" zu präsentieren. So locken Kindertagesstätten mit besonders langen Öffnungszeiten oder Broschüren geben Tipps zum "Studieren mit Kind". Einige Hochschulen versuchen konkrete Hilfen anzubieten: In Jena hat die Fachhochschule kürzlich einen Still-und Wickelraum eingerichtet, die Mensa bietet kostenloses Mittagessen für Kinder von Studenten.

Die Jenaer Studentin Susann Mücke freut sich über die Verbesserungen. "Die Studenten mit Kind wünschen sich mehr Akzeptanz und Unterstützung von den Hochschulen", bestätigt Wissenschaftlerin Juliane Pegel. "Vielerorts werden die jungen Eltern mit ihren Problemen aber alleine gelassen und fühlen sich als Außenseiter." Beraterin Aline Garz hofft, dass die Politik sich ihrer Verantwortung bewusst wird und die Rahmenbedingungen für die Studenten verbessert. "Auch wenn die Entscheidung für ein Kind letztendlich immer bei dem Einzelnen liegt."

Quelle: ntv.de

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