Dossier

Neuer Tigerstaat Vietnam lockt Investoren

Das sozialistische Vietnam boomt. Der neue junge Tigerstaat hat sich mit einigen Jahrzehnten Verspätung auf den Weg gemacht, die asiatische Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Das Land weist nach China die höchsten Wachstumsraten Asiens auf. Die Bevölkerung ist jung und konsumfreudig, das Lohnniveau niedrig und der Investitionsbedarf groß. Deutsche Unternehmen von Rang und Namen sind schon da - Siemens, Metro, Adidas, Seidensticker, Van Laack und viele mehr. Außenminister Frank-Walter Steinmeier packte bei seinem Besuch gleich ein ganzes Projekt-Paket auf den Tisch - von einer Deutschen Schule bis zum gemeinsamen Kulturjahr. Deutschland will seine Präsenz in Vietnam massiv ausbauen. Das war die Botschaft an Regierungschef Nguyen Tan Dung, der nächste Woche nach Berlin kommt.

Auf den Straßen der 3,5-Millionen-Metropole Hanoi im Norden des Landes herrscht hektisches Treiben. Ein wahres Meer von qualmenden Mopeds mit ein, zwei und gerne auch drei Passagieren ergießt sich unaufhörlich und oft unberechenbar in die verstopften Straßen. 24 Millionen Zweiräder sollen es sein in ganz Vietnam. Doch nicht nur das Moped-Geschäft brummt. Die gesamte vietnamesische Wirtschaft wuchs 2007 um 8,2 Prozent. Das Handelsvolumen überstieg erstmals die 100-Milliarden-Euro-Grenze. Vietnam hat international enorm an Ansehen gewonnen, seitdem es Ende 2006 den APEC-Gipfel unter anderen mit US-Präsident George W. Bush und Russlands Staatschef Wladimir Putin ausrichtete.

Hinzu kommt der Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO 2007 und seit Anfang dieses Jahres der zweijährige Sitz als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. "Für Deutschland ergibt sich zudem eine einmalige historische Brücke", werden Diplomaten in Hanoi nicht müde zu betonen. Diese Brücke wurde einst von der DDR gebaut, als sie 100.000 Vietnamesen aus dem sozialistischen Bruderland als Vertragsarbeiter oder Studenten teilweise für Jahre nach Ost-Berlin, Rostock, Dresden und in andere Orten holte. Steinmeier spricht von "100.000 Botschaftern", die für Deutschland werben. Auch in der Bundesrepublik leben noch heute zehntausende Vietnamesen, die entweder über das "DDR-Ticket" oder als "Boatpeople" auf rostigen Seelenverkäufern ihre Heimat verließen.

Jahrzehnte später entdeckten deutsche Firmen im Zuge des Asien-Booms das Land. Das deutsche Textilunternehmen Van Laack etwa ist seit 15 Jahren in Vietnam. "Damals gab es noch keine Ampeln, keine Mopeds und nur (in der DDR produzierte) IFA-Lkws", sagt Geschäftsführer Rolf Getschmann. Die Firma residiert heute in einem schmucken, ockerfarbenen Neubau mit grünen Fensterläden in einem Industriegebiet am Rande Hanois. Mehr als 500 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, das durch seine Qualitäts-Herrenhemden bekannt wurde.

In Hanoi werden Stoffe aus Italien von hunderten Näherinnen in einer klinisch sauberen Produktionshalle auf surrenden Maschinen und in sorgfältiger Handarbeit zusammengefügt. Genäht, entflust, gebügelt und verpackt finden sie ihren Weg von Hanoi in die Welt zur betuchteren Kundschaft. Eine Näherin arbeitet von 8.00 bis 17.00 Uhr und bekommt dafür 120 US-Dollar im Monat. Der Tarif liegt bei 56 Dollar. "Moderate Löhne", sagt Getschmann, der damit ein Argument für profitable Investitionen in Vietnam nennt.

Auf lohnende Geschäfte in Vietnam hofft auch der Siemens-Konzern und darf dabei auf wohlwollende Begleitung durch die Bundesregierung setzen. Im Wirtschaftszentrum Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden soll die "Stadtbahnlinie 2" gebaut werden, um das Verkehrschaos einzudämmen. Rund 86 Millionen Euro Zuschüsse stellt das Wirtschaftsministerium in Berlin zur Verfügung. "Warten mit Geduld und noch mehr Zuversicht", lautet der Rat Steinmeiers für Investitionsentscheidungen von Politik und Behörden. Kommende Woche soll in Vietnam eine weitere wichtige Entscheidung für das rund 800-Millionen-Euro-Projekt fallen. Zu dem Zeitpunkt dürfte Regierungschef Dung in Berlin weilen.

Von Helmut Reuter, dpa

Quelle: ntv.de

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