Dossier

Bleskin trifft Gesine Lötzsch "Wir müssen es einfach schaffen"

Die designierte Linksparteichefin Gesine Lötzsch sieht ihre Partei "in stürmischer See, aber nicht in Seenot". Und sie setzt auf das Prinzip Hoffnung: "Wir müssen es einfach schaffen, in dieser sehr jungen Partei die verschiedenen Strömungen und Erfahrungen zusammenzubringen."

Gesine Lötzsch und Manfred Bleskin

Gesine Lötzsch und Manfred Bleskin

Manfred Bleskin: 100 und ein paar Tage Koalition sind auch 100 und ein paar Tage Linke in der Opposition. Ihre Bilanz?

Gesine Lötzsch: Ich ziehe eine sehr kritische Bilanz der schwarz-gelben Koalition. Wir haben 100 Tage Klientelpolitik erlebt. Schwarz-Gelb hat das beschlossen, was vorher von Großspendern bestellt worden war. Die Mövenpick-Spende hat uns gezeigt, wer in diesem Land wie die Politik beeinflussen kann: nicht die Wähler mit ihren Stimmen, sondern die Großspender mit ihren Spenden.

Und die Bilanz Ihrer Partei?

Wir haben unsere wichtigsten Forderungen sehr schnell und nachdrücklich deutlich gemacht. Im Moment stehen wir in der Auseinandersetzung vor allem um die sozialen Fragen. Die Leiharbeit muss zurückgedrängt werden. Wir wollen Leiharbeit nur erlauben, wenn Leiharbeiter - wie zum Beispiel in Frankreich - mehr bekommen, also einen Flexibilitätszuschlag. Dann können die Betriebe deren Lage nicht ausnutzen um sie auszubeuten. Wir kämpfen weiter für den Mindestlohn. Eine ganz zentrale Frage ist: Ob die Regierung nur das verfassungswidrige Berechnungsverfahren für das ALG II ändert oder auch bereit ist, mehr Geld zu zahlen, damit ein Leben in Würde möglich ist. Dann fordern wir weiter den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses zum Bombardement von Kundus wird zeigen, wie richtig und wichtig unsere Position ist.

Gehen die inhaltlichen Fragen nicht in Ihrem innerparteilichen Streit unter? Da fallen böse Worte: Der bayerische Landesverband wirf Ihrem möglichen Co-Vorsitzenden Klaus Ernst "gutsherrliches Verhalten" vor. Lothar Bisky spricht von einer Atmosphäre der Denunziation.

Durch den Rückzug, oder besser, weil Oskar Lafontaine auf dem Parteitag im Mai nicht wieder antritt, hat sich vieles bewegt. Wir befinden uns in stürmischer See, sind aber nicht in Seenot. Wichtig ist, die inhaltlichen Fragen immer in den Mittelpunkt zu stellen. Wir müssen es einfach schaffen, in dieser sehr jungen Partei die verschiedenen Strömungen und Erfahrungen zusammenzubringen. Ich denke, dass es gelingen wird, in Bayern eine gute Unterstützung für Klaus Ernst zu organisieren.

Sie sollen als Steuerfrau mit einem Steuermann Ihr Parteischiff durch die stürmische See führen. Aber eigentlich sollte es einen Kapitän geben: Gregor Gysi, der abgelehnt hat, aber ein "Zentrum" schaffen will im Karl-Liebknecht-Haus. Was soll das für ein Zentrum werden?

Wir haben Kernforderungen, mit denen wir in den Wahlkampf gezogen sind: Raus aus Afghanistan, Hartz IV abwählen, Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, Rente nicht erst ab 67. Diese Forderungen durchsetzen zu helfen ist eine Aufgabe des Zentrums. Wir haben - wie alle Parteien - Flügel und Strömungen. Wenn man einen Flügel abschneidet, kommt die ganze Partei ins trudeln. So konnten wir es bei der SPD und den Grünen erleben. Diesen Fehler wollen wir nicht wiederholen.

Wird Gregor Gysi so eine Art heimlicher Vorsitzender, wie dereinst Joschka Fischer bei den Grünen?

Er hat ja auf unserer Beratung am 11. Januar sehr viel Verantwortung auf sich genommen. Er hat die verschiedenen Gremien zusammengeführt. Ich habe jahrelang mit ihm sehr gut zusammengearbeitet. Ich gehe davon aus, dass es so bleibt. Er ist gewählter Fraktionsvorsitzender, und allein aus dieser Position heraus spielt er eine wichtige Rolle in allen politischen Auseinandersetzungen.

Spielt Oskar Lafontaine noch eine bundespolitische Rolle in Ihrer Partei?

Bis zum Mai ist er - wie Lothar Bisky - noch Vorsitzender. Ich bin nur Kandidatin. Bis dahin werden beide ihre Aufgaben erfüllen. Oskar Lafontaine hat auch als Fraktionsvorsitzender im Saarland weiter Gelegenheit, sich bundespolitisch zu Wort zu melden. Darauf setzte ich auch!

Sie halten 2013 eine Koalition mit der SPD und den Grünen für möglich …

Wenn die Inhalte stimmen!

Eben, darauf will ich ja hinaus. Sie haben die vier Grundposition Ihrer Partei gerade noch einmal genannt. Wenn es nicht möglich ist, das durchzusetzen - siehe Rot-Rot in Brandenburg - was dann?

Wir sind ja wegen unserer Grundpositionen gewählt worden. Wir können nach Wahlen nicht neue Ziele aufstellen. Die Menschen erwarten die Umsetzung eben dieser Forderungen. Wir müssen als Politiker aufpassen, dass wir uns nicht im Geschäft verselbstständigen und meinen, das Gespräch mit einem anderen Politiker wäre das wahre Leben. Wenn wir nicht an diesen Forderungen festhalten, werden wir unsere Wähler verlieren. Dann sind wir auch für keine andere Partei interessant.

Und wie steht's mit der NATO und dem Lissabon-Vertrag?

Deutschland ist Mitglied der EU, und niemand will, dass wir austreten. Zumal wir uns als Partei sehr für die Osterweiterung eingesetzt haben.

Aber ein Austritt aus der NATO?

Die wollen wir umwandeln in ein System kollektiver Sicherheit. Die zentrale Frage ist, ein vernünftiges Verhältnis zu Russland finden. Das ist auch eine Frage unserer Sicherheit. Aber auch die Sicherheit Russlands. Dafür werde ich mich einsetzen.

Wie steht Ihre Partei 2013 da?

Ich hoffe auf ein sehr gutes, zweistelliges Ergebnis. Dann werden wir - auch aus der Opposition heraus - soziale Veränderungen für unser Land durchsetzen.

Oder in der Regierung sein.

Das hängt vom Wahlergebnis und den Möglichkeiten ab, wie wir mit den anderen Parteien kooperieren können.

Quelle: ntv.de, Mit Gesine Lötzsch sprach Manfred Bleskin

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