Dossier

Bundeswehr hilft in Pakistan Zelte gegen das Erfrieren

Eine Runde noch über dem provisorischen Landeplatz im Himalaya, dann setzt der Bundeswehr-Hubschrauber vorsichtig auf dem fremden Terrain auf. Der Wind der Rotoren wirbelt Dreck durch die Luft, die Felswände werfen das ohrenbetäubende Knattern zurück. Am Hang stehen Männer Schlange, sie trotzen Lärm und Sturm. Sie alle haben beim Erdbeben in Pakistan Verwandte und ihr Haus verloren. Sie alle wissen, dass die Fracht des Helikopters über Tod und Leben ihrer Angehörigen entscheiden könnte, die das Beben überstanden haben. Doch ihre Verzweiflung merkt man ihnen nicht an. Geduldig warten sie darauf, ausladen zu dürfen.

Der Hubschrauber hat winterfeste Zelte der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen geladen. Drei Bundeswehr-Helikopter vom Typ CH-53 pendeln an diesem Tag zwischen Muzaffarabad, der Hauptstadt des pakistanischen Teils Kaschmirs, in das rund 1.700 Meter hoch gelegene Dorf Chamba Khas im Neelum-Tal. Der Flug führt über malerische Bergrücken, einige sind schon weiß gesprenkelt, bald wird es hier überall schneien. In der Ferne gleißen Himalaya-Gipfel majestätisch im Licht der aufgehenden Sonne. Eine paradiesische Landschaft -durchsetzt von stummen Zeugen der Katastrophe vom 8. Oktober.

Dörfer wurden zu Trümmerfeldern

Der Hubschrauber zieht an Bergen vorbei, deren eine Seite grün bewachsen ist, die andere ist gräulich weiß. Hier haben sich ganze Bergflanken gelöst und Menschen, Häuser, Tiere und Pflanzen mit sich in die Tiefe gerissen, alles wurde unter den Erdmassen begraben. Von manchen Siedlungen, die auf diesen Bergflanken lagen, bleibt nur noch die Erinnerung: Nichts deutet darauf hin, dass es sie vor kurzem noch wirklich gab. Andere Dörfer wurden zu Trümmerfeldern, zwischen Ruinen haben Überlebende Plätze freigeräumt und mit einem großen weißen H markiert -in der Hoffnung, dass dort Hubschrauber mit Hilfe landen.

In Chamba Khas haben die Menschen Glück. Alle paar Minuten setzt einer der Bundeswehr-Helikopter auf, die aus dem baden-württembergischen Laupheim und aus dem nordrhein-westfälischen Rheine ins Katastrophengebiet verlegt wurden. Schnell und konzentriert laden die Kaschmirer die Zelte aus, ein kurzer Blick der Soldaten, ob der Luftraum frei ist, und der Hubschrauber startet wieder - um den Landeplatz für die nächste Maschine freizumachen. Alle 400 Zelte, die geliefert werden sollten, sind bis zum Abend angekommen, zu Fuß werden die Kaschmirer sie in den umliegenden Dörfern verteilen. Ein Zelt, Planen zur Isolierung und fünf Decken erhält jede Familie, die Notunterkünfte werden rund 2.500 Menschen Schutz bieten.

Noch immer fehlen Zelte

"Die meisten Menschen hier werden den Winter in Zelten überleben müssen", sagt Voitek Asztabski von Ärzte ohne Grenzen. In Pakistan machte das Beben rund drei Millionen Menschen obdachlos. Immer noch fehlt es im Katastrophengebiet an Zelten, und die meisten der bislang verteilten sind nicht winterfest - sie werden Eiseskälte und Schnee kaum standhalten. Zwei Anläufe gab es schon, winterfeste Zelte nach Chamba Khas zu schaffen, beide Male fielen Hubschrauber anderer Nationen aus. Nach der Lieferung durch die Bundeswehr ist Asztabski erleichtert. "Jede Familie hier wird jetzt Schutz haben", sagt er. "In diesen Zelten wird niemand erfrieren. "

Mit ihrem selbstlosen Einsatz dürften die Bundeswehr-Soldaten zahlreiche Menschenleben retten -und dafür schlägt ihnen bei den verzweifelten Menschen im Katastrophengebiet große Dankbarkeit entgegen. In wenigen Tagen schon werde schwerer Schneefall einsetzen, sagt Mehmoud Khan aus Chamba Khas. Schon jetzt sei es nachts extrem kalt. "Die Zelte sind genau das, was wir brauchen", sagt der Dorfbewohner. "Es ist ein Segen Gottes."

Am Ende eines weiteren langen Tages sind die Besatzungen der Hubschrauber müde -und froh über die geleistete Akkordarbeit. "Man fühlt sich als Helfer", sagt Hauptfeldwebel Jörn Busse. "Das ist hier ein Einsatz, bei dem man gebraucht wird." Die Fernsehbilder nach dem Beben hätten nur einen Teil der Realität widergespiegelt. "Eigentlich ist es viel schlimmer." Wie seine 75 Kameraden vor Ort hat sich der 33-Jährige freiwillig zu dem Hilfseinsatz fern der Heimat und der Familie gemeldet. "Aber wenn ich mit zu Hause telefoniere, dann höre ich immer wieder: Es ist gut, dass Du da bist", sagt er.

Can Merey (Deutsche Presse-Agentur)

Quelle: ntv.de

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