Jeder Roman ein Bestseller Irving feiert 65. Geburtstag
01.03.2007, 09:13 UhrDer US-amerikanische Bestsellerautor John Irving findet seine Landsleute "puritanisch und verklemmt". Er fühle sich in den USA bisweilen als Fremder im eigenen Land, klagte er bei einem Besuch in Europa. Seine Romane sind in 30 Sprachen übersetzt. Jeder wurde zum Bestseller. Der "Meister der Erzählkunst" gehört zu den wenigen Autoren, die hohe literarische Qualität und Erfolg verbinden können. Am 2. März feiert er im tiefen Neuengland mit seiner Frau und Agentin Janet Turnbell, möglicherweise auch den drei schon erwachsenen Kindern, seinen 65. Geburtstag.
Dass Irving daheim umstrittener ist als etwa in Deutschland, liegt an politischen Themen wie Abtreibung, Vietnamtrauma und Apathie der Bürger, die er zwar behutsam, aber auch nicht zimperlich anpackt. Und es ist seine Sprache, mit der er bewusst Provokation betreibt: "Ich hätte das Wort 'Penis' nicht so oft benutzt, wenn das Klima in Fragen der Sexualität (in den USA) liberaler wäre", gab er vor einem Jahr mit Hinweis auf seinen autobiografischen Roman "Bis ich dich finde" in Wien offen zu.
Irving schreibt moderne Geschichten in traditioneller Erzählmanier, aber alles andere als konventionell. Seine wuchernden Entwicklungsromane konfrontieren mit Vergewaltigung und politischem Mord, berichten von Liebe und Tod und jagen den Leser in atemberaubender Wendigkeit von einer Überraschung zur nächsten. Für ihren Verfasser ist das Feuerwerk der Ideen geplante Sache: "Für jeden neuen Roman entwerfe ich zunächst einen genauen Plan und kenne das Ende, bevor ich zu schreiben beginne." Das heißt, er beginnt seine Bücher sozusagen mit dem Schluss und erzählt dann, wie es dazu gekommen ist.
Der Verfasser solch turbulenter Romane wie "Garp und wie er die Welt sah" (deutsch 1979), "Die wilde Geschichte vom Wassertrinker" (dt. 1989), "Das Hotel in New Hampshire" (dt. 1982) und "Owen Meany" (Diogenes Verlag, Zürich) führt selber "ein sehr geregeltes Leben". Er halte es mit Gustave Flaubert, meint Irving und zitiert den französischen Autor aus dem 19. Jahrhundert in gebrochenem Deutsch: "Man muss im Leben sehr ruhig sein, damit man in den Romanen lauter schreien kann."
Irving hat seinen Vater nie gekannt und wuchs bei seiner Großmutter, seiner Mutter und seinem Stiefvater auf. Er erhielt als Sechsjähriger nach der Adoption seinen jetzigen Namen. Dieser Hintergrund lässt ihn in seinen Büchern immer mit bitterem, oft absurdem Witz über seltsame Familienverhältnisse schreiben. In seinem elften und letzten Roman, "Bis ich dich finde" (dt. 2006), sucht der Junge und später der Mann Jack Burns, ein gefeierter Hollywoodstar, nach seinem Vater. Das über 1100 Seiten lange und 117 Charaktere umfassende "Opus maximum" ("New York Times") verrät mehr von dem Menschen John Irving als alle anderen Werke zuvor.
Dieser nennt seit Jahrzehnten Günter Grass als einen der Schriftsteller, die ihn am meisten beeinflusst haben, aber auch Gabriel Garca Mrquez und Salman Rushdie. Wie sein Garp hat sich der sportlich aktive Irving seit seiner Jugend als Ringer ertüchtigt und entspannt. Seine beiden älteren Söhne trainierte er selbst und verhalf ihnen zu ihrem Titel als New England Champions der A-Liga. Nach ihrem Auszug ringt Irving oft mit einer schweren, lebensgroßen Puppe. "Inzwischen ist die besser als ich, weil sie nie müde wird", sagt der nicht mehr ganz junge Erzählmeister augenzwinkernd.
Quelle: ntv.de, Gisela Ostwald, dpa