Dossier

Besuch in der Türkei Merkel will nicht streiten

Bundeskanzlerin Angela Merkel (r) bei ihrem letzten Besuch in der Türkei mit dem türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (Archivfoto vom 05.10.2006).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (r) bei ihrem letzten Besuch in der Türkei mit dem türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (Archivfoto vom 05.10.2006).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Eu-Betritt, Abschaffung des Visumzwangs und nun türkische Gymnasien in Berlin: Merkel hält nicht viel von Erdogans Vorschlägen. Sie will bei ihrem Besuch die Gemeinsamkeiten betonen.

Zum ersten Mal seit vier Jahren besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 29. März die Türkei. An ihrer Ablehnung eines EU-Beitritts des muslimisch geprägten Landes hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Schon vor Merkels Treffen mit dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan bekräftigten beide in Interviews ihre Positionen in politischen Streitfragen, zu denen auch der Visumszwang für Türken bei Reisen nach Westeuropa gehört. Merkel und Erdogan wissen aber auch, dass ihre Länder viele gemeinsame Interessen haben, und um diese soll es beim Türkei-Besuch der Kanzlerin vornehmlich gehen.

In einer Art Ritual tauschten Merkel und Erdogan vor dem ersten Besuch der Kanzlerin in der Türkei seit vier Jahren ihre gegensätzlichen Haltungen in der Frage des türkischen EU-Beitrittswunsches aus. Merkel bot den Türken noch einmal eine "privilegierte Partnerschaft" als Alternative zur EU-Mitgliedschaft an. Erdogan beharrte noch einmal auf dem Ziel des EU-Beitritts. Etwas anderes komme für die Türkei nicht in Frage, sagte der Ministerpräsident.

Keine Bewegung zu erwarten

Merkel und Erdogan in Berlin (Archivbild vom 08.02.2008).

Merkel und Erdogan in Berlin (Archivbild vom 08.02.2008).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Auch in der Diskussion über die türkische Forderung nach Abschaffung des Visumszwangs bei Reisen von Türken nach Westeuropa ist kaum Bewegung zu erwarten. Merkel erklärte, Ankara habe noch viel zu tun, insbesondere bei der Rückübernahme von Flüchtlingen aus Europa und bei der Sicherung ihrer östlichen und südlichen Außengrenzen. In Ankara heißt es dagegen, die Regierung werde innerhalb kürzester Zeit die Voraussetzungen für den visafreien Reiseverkehr schaffen. Das Rückübernahmeabkommen mit der EU solle noch in diesem Jahr unterzeichnet werden, bei der Grenzsicherung hat die EU nach türkischen Angaben finanzielle Hilfe versprochen.

Diese Differenzen sollen das Klima bei dem Besuch aber möglichst nicht stören. Merkel und Erdogan hätten ein sehr gutes, sehr freundschaftliches und sehr offenes persönliches Verhältnis zueinander, heißt es auf deutscher Seite. Die Kanzlerin kommt in der Tat gut mit dem für seine nicht immer diplomatisch feinfühligen Äußerungen gefürchteten Erdogan zurecht.

Verschränkte Interessen

Zudem wissen beide Regierungschefs, dass die Interessen ihrer Länder auf vielen Gebieten miteinander verschränkt sind. Die Türkei ist heilfroh, dass die europäische Großmacht Deutschland unter Merkel die seit 2005 laufenden EU-Beitrittsverhandlungen trotz der Skepsis der Kanzlerin nicht torpediert. Die Deutschen betrachten die Türkei als wichtigen Partner an der Nahtstelle zwischen Europa, dem Kaukasus und dem Nahen Osten. Angesichts von rund drei Millionen türkischen und türkischstämmigen Bürgern in Deutschland und jährlich vier Millionen deutschen Touristen in der Türkei hätte keines der beiden Länder viel zu gewinnen, wenn ihr Verhältnis von Streitigkeiten geprägt wäre.

Deshalb werden Merkel und Erdogan kommende Woche voraussichtlich die Gemeinsamkeiten betonen. Dazu gehört zum Beispiel die geplante türkisch-deutsche Universität in Istanbul. Außerdem sind mittlerweile mehr als 4000 deutsche Firmen in der Türkei vertreten. Bei ihrem Besuch wird Bundeskanzlerin von einer hochkarätigen Unternehmerdelegation begleitet. Die Türkei ist ohne größere Katastrophen durch die jüngste Weltwirtschaftskrise gekommen und gilt als viel versprechender Wachstumsmarkt. Merkel selbst verwies zudem auf die Bedeutung des Pipeline-Projekts Nabucco, das die Türkei zu einem wichtigen Faktor bei der Gasversorgung Westeuropas macht.

Freunde mit verschiedener Meinung

Merkel und Erdogan werden daher wohl trotz ihrer Differenzen also zumindest nach außen alles tun, um das deutsch-türkische Verhältnis in einem guten Licht da stehen zu lassen. Das gab die Kanzlerin in einem Interview mit türkischen Journalisten schon zu verstehen: "Wir sind Freunde", wurde sie zitiert, "aber wir können auch einmal verschiedener Meinung sein."

Quelle: ntv.de, Thomas Seibert, AFP

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