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Zwischenruf Bei Rot über die Kreuzung

Mit der Vorstellung ihres Wahlprogramms ist die SPD wieder auf die ersten Seiten der Websites und Zeitungen gerutscht. Damit hat sie es noch lange nicht an die erste Stelle der Wählergunst geschafft. Die Voraussetzungen sind zunächst einmal gut. Mit ihren Forderungen nach einer Börsenumsatzsteuer, einem bundesweiten Mindestlohn, einer Bürgersozialversicherung, einer Anhebung des Spitzensteuersatzes und einer Senkung des Eingangssteuersatzes spricht die Partei ihre traditionellen Wählerschichten an. Das allerdings hat sie mit dem "Hamburger Parteiprogramm" auch schon gemacht. Der Sympathieschub blieb aber aus. Die Sozialdemokraten bewegen sich in den Umfragen seit Monaten unverändert um die 25-Prozent-Marke.

Zu hoch die Zahl der Parteiaustritte, zu groß die Enttäuschung ihrer Wählerschaft über die Politik der vergangenen Jahre. Mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Parteichef Franz Müntefering sollen zwei der entscheidenden Protagonisten von Hartz IV und der umfangreichsten Steuererhöhung im Nachkriegsdeutschland die Wähler davon überzeugen, dass sie fürderhin eine ganz andere Politik machen wollen. So kurz ist das Gedächtnis der Bürgerinnen und Bürger nun auch wieder nicht. Ein Leiharbeiter wird so leicht nicht vergessen, dass sich der Niedriglohnsektor erst unter einem Kanzler Gerhard Schröder so richtig etablieren konnte. Von den Steuervergünstigungen für die Großunternehmen ganz zu schweigen.

Offen ist, wie die SPD ihre Wahlprogrammatik Politikpraxis werden lassen will. Viele der Vorschläge wären nur in einer rot-rot-grünen Konstellation durchsetzbar. Ein Bündnis mit der Linken wird ausgeschlossen, für rot-grün wird's kaum reichen. Auch wenn die FDP unter dem Eindruck der Krise für mehr soziale Gerechtigkeit eintritt: Eine Ampelkoalition wäre für das Programm so hilfreich wie eine ampelfreie Straßenkreuzung im Stau. Kaum, dass der Weg nach links frei scheint, hebt Ordnungspolizist Guido Westerwelle die Kelle und dirigiert den Wagen, wenn nicht nach rechts, dann aber zumindest in die Mitte. Dass mit der Union viele der Programmpunkte nicht zu machen sind, hat die Vergangenheit gezeigt. Aus Koalitionsdisziplin hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion gegen den Antrag der Linken für eine allgemeine Lohnuntergrenze gestimmt, die im Wahlprogramm nun wieder auftaucht. So richtig die (Wieder-) Ausrichtung auf die Lohnabhängigen ist, für den Mittelstand hätte man sich für eine Volkspartei etwas mehr Engagement gewünscht. Apropos Lohnabhängige: Nur der aufmerksame Leser wird im Kleingedruckten darauf stoßen, dass die Rente mit 67 bleiben soll. Und mit dem Kokolores des 300-Euro-Steuerbonus' wird die SPD nur wenige hinter dem Ofen hervorlocken.

Die Partei wird sich also noch etwas anstrengen müssen, um wieder die Nummer eins zu werden. 2013. Vielleicht. Dazu müsste sie aber nicht nur links blinken, sondern auch bei Rot einfach über die Kreuzung fahren.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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