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Zwischenruf Beleidigte Leberwurst

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(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bundesregierung fühlt sich durch einen kritischen Bericht des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte düpiert. Statt sachlicher Argumente kommt eine Retourkutsche über die Unwissenschaftlichkeit des in Genf erarbeiteten Papiers.

Ein wenig mehr hätte man sich schon gewünscht, als den Hinweis aus dem Arbeitsministerium, der deutschlandkritische Bericht des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sei vorläufig und wissenschaftlich nicht begründet. Wenn darin von "tiefer Sorge" über die soziale Lage in Deutschland die Rede ist, so kann man davon ausgehen, dass diese Formulierung nicht leichtfertig dahingeplappert ist.

Das Problem der Armut im Allgemeinen und der Kinderarmut im Besonderen gehört nicht erst seit gestern zu den Kainsmalen im rosigen Gesicht unseres reichen Landes. Der Eiertanz um schäbige fünf Euro im Zusammenhang mit der Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes für Erwachsene steht dabei in krassem Gegensatz zur Nonchalance, mit der sich Union und SPD im Deutschen Bundestag eine kräftige Erhöhung ihrer Diäten genehmigten. Dabei geht es weniger um deren absoluten Betrag, sondern vielmehr um moralische Kategorien. Wenn der Bericht bemängelt, dass Hartz IV "keinen angemessenen Lebensstandard" ermöglicht, ist das eine schallende Ohrfeige für all jene, die das Gegenteil meinen. Da wirkt es hilflos, den Beleidigten zu spielen.

Neue Arbeitsplätze prekär

Dabei kommt Deutschland in dem Bericht in Sachen Arbeitslosigkeit noch gut weg. Zwar kritisieren die Autoren das krasse West-Ost-Gefälle, heben zugleich aber lobend hervor, dass es im Zuge des Reform genannten Umbaus des Arbeitsmarkts gelungen sei, die Zahl der Erwerbslosen spürbar zu senken. Entgangen ist ihnen, dass ein Großteil der neuen Arbeitsplätze prekär ist: Zeit- und Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge, unbezahlte Praktikantenarbeit sogar in Bundesministerien schönen die Bilanz, sagen aber nichts über die tatsächliche Lage der Betroffenen. Aber: Der Bericht ist ja vorläufig. Mal sehen, wie das Bundesarbeitsministerium auf den endgültigen Bericht reagiert, in dem dieser Fehler korrigiert ist.

Das Gewurstel um das Bildungspaket, mit dem viele Bedürftige nichts anzufangen wissen, ist beredtes Beispiel einer fehlenden Konzeption zu Beseitigung eines gesellschaftlichen Grundübels.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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