Zwischenruf 343 Bewegung im Irak
05.05.2007, 10:59 UhrVon Manfred Bleskin
Einen Zwischenschritt hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die Irak-Konferenz im ägyptischen Sharm el-Sheikh gemacht und damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Die vereinbarten Maßnahmen weisen in die richtige Richtung, in die der Wirtschaft im Zweistromland, deren Niedergang in den letzten Jahren des Saddam-Regimes, befördert durch die internationalen Sanktionen, begann und mit dem Einmarsch der "Allianz der Willigen" vollendet wurde.
Der Schuldenerlass von gut 30 Milliarden Dollar durch mehrere Staaten, darunter das Gastgeberland, China, Großbritannien, Polen, Saudi-Arabien und Slowenien ist nur ein Trippelschritt, weil zunächst nur von symbolischer Bedeutung. Der Irak ist ohnehin kaum in der Lage, seine Schuldkonten jenseits seiner Grenzen abzutragen. Gleichwohl hätte es den USA als Hauptbesatzungsmacht gut zu Gesicht gestanden, sich hier einzureihen. Aber nichts da. Auch Russland ist nicht viel besser. Moskau wäre – ganz im Geiste der Putinschen Erdölwaffenstrategie – zu einem Schuldenerlass nur bereit gewesen, hätte es im Gegenzug Zugriff auf ein Ölfeld erhalten. Washington hat’s da einfacher: Es übt die finanzielle Kontrolle über Iraks schwarzes Gold aus und hat US-Konzernen im Zuge der Privatisierung der irakischen Wirtschaft das Recht der ersten und auch der darauf folgenden Nächte zugeschanzt.
Die ökonomische Wiederbelebung ist der Schlüssel zur Befriedung des Irak. In einem der größten Erdölförderstaaten der Welt ist das Benzin rationiert, Strom gibt es nur stundenweise, Bildungs- und Gesundheitswesen liegen danieder, der oktroyierte Säkularismus ist im täglichen Leben einem immer aggressiveren Islamismus gewichen, die Versorgungslage ist schlecht, es funktioniert – außer der bitteren Sollerfüllung von durchschnittlich 30 Toten täglich – kaum etwas.
Der von den Konferenzteilnehmern aus 63 Staaten und von internationalen Organisationen gebilligte wirtschaftliche "Reformplan" kann aber nur gelingen, wenn es zu einer tatsächlichen Aussöhnung zwischen den verfeindeten irakischen Parteien, Volksgruppen und Konfessionen kommt. Dazu müssen die Milizen entwaffnet oder einem staatlichen Zentralkommando unterstellt werden. An diesem Punkt aber blieb der (schiitische) Ministerpräsident Nuri al-Maliki recht allgemein. Hängt doch sein Schicksal auch vom Wohlwollen der radikalen Gruppen unter seinen Glaubensbrüdern ab. Hier ist die Mahnung der anderen arabischen Staaten an den Irak unzweideutig: Eine neue Militärstrategie ist keine Lösung. Positiv schlägt aber zu Buche, dass künftig auch wieder ehemalige – unbelastete – Mitglieder der unter Saddam Hussein regierenden Baath-Partei in öffentlichen Ämtern tätig werden können.
Bezeichnenderweise war der irakische Präsident Dschalal Talabani, zugleich Chef der Patriotischen Union Kurdistans, dem Treffen am Roten Meer ferngeblieben. Kein gutes Zeichen, denn im Norden des Irak existiert ein de facto unabhängiger kurdischer Staat. Ohne die Wahrung der Einheit des Landes ist aber eine Lösung des Konflikts unmöglich. Erfreulich ist die Ankündigung, die Erlöse aus der Ölförderung auch den Sunniten zukommen zu lassen, leben die Angehörigen dieser Konfession doch hauptsächlich in Provinzen ohne Erdölvorkommen.
Erfreulich auch, dass US-Außenministerin Condoleezza Rice – in stillschweigender Umsetzung der Empfehlungen der Baker–Hamilton-Kommission – mit ihrem syrischen Kollegen Walid el-Mualem zusammentraf. Weniger erfreulich, dass es kein Gespräch mit Irans Chefdiplomaten Manuchehr Mottaki gab, was wohl an beiden Seiten lag. Ohne den Iran ist eine Befriedung des Irak unmöglich. Immerhin haben beide bei einem Mittagessen ein paar nette Worte – wohl über den Geschmack der Suppe – gewechselt und sich nicht gegenseitig in die Suppe gespuckt.
Alle Wirtschafts- und Aussöhnungskonzepte aber werden im Ansatz steckenbleiben, wenn aus Washington kein Signal in Sachen Truppenrückzug kommt. Und die Frage wurde – am Konferenztisch zumindest – gar nicht angesprochen. Bleibt die ausländische Besatzung, führt der Zwischenschritt geradewegs in den Abgrund.
Quelle: ntv.de