Zwischenruf Das Wunder vom Jobwunder
30.11.2010, 13:31 UhrSeit ab Oktober die offiziellen Arbeitslosenzahlen in Deutschland sinken, spricht die Bundesregierung von einem Jobwunder, gar von Vollbeschäftigung, die zum Greifen nahe läge. Doch die Frage ist, zu welchen Bedingungen gearbeitet wird. Bis zu einem Jobwunder ist es wohl noch ein weiter Weg.

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im November um 14.000 auf 2.931.000 gesunken.
(Foto: dpa)
Wenn zu Zeiten von US-Präsident Bill Clinton die Meldungen über den Rückgang der Arbeitslosigkeit veröffentlicht wurden, sagte so mancher: Was, schon wieder 300.000 neue Jobs? Kein Wunder, ich hab’ ja schon drei davon.
Seit ab Oktober die offiziellen Arbeitslosenzahlen in Deutschland sinken, spricht die Bundesregierung von einem Jobwunder, gar von Vollbeschäftigung, die zum Greifen nahe läge. Auch nach den neuesten Angaben der Bundesagentur für Arbeit bleibt die Zahl der Erwerbslosen spürbar unter drei Millionen. Das ist erfreulich. Wenn auch nur auf den ersten Blick.
Wer arbeitet wie?
Von den 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfängern sind - nach Angaben der Bundesagentur - rund zwei Millionen arbeitslos, 665.000 sind erwerbstätig, müssen aber "aufstocken", weil das Geld sonst zum Leben nicht reicht. Knapp 200.000 Menschen absolvieren Praktika oder trainieren in Kursen, wie sie sich richtig bewerben.
Mehr als eine halbe Million befinden sich in sogenannten Arbeitsgelegenheiten. Das sind zumeist Arbeitslose, die abseits des "ersten Arbeitsmarkts" mit öffentlichen Geldern gestützte Tätigkeiten verrichten. Hinzu kommen rund 330.000 "Ein-Euro-Jobber".
Laut gewerkschaftsnaher Hans-Böckler-Stiftung werden mehr als sieben Millionen Beschäftigungsverhältnisse mit maximal 400 Euro vergütet. Die Zeitarbeit hatte im März 2008 mit 702.000 Stellen ihren Höhepunkt erreicht und ging danach auf eine halbe Million zurück. Im März dieses Jahres, parallel also zum Wirtschaftsaufschwung, war die Zahl wieder auf 634.000 gestiegen.
Besser arbeiten als hinter der Gardine stehen
Summa summarum stieg der Anzahl der "atypisch Beschäftigten" von 1998 bis 2008 um mehr als 42 Prozentpunkte. Als "atypisch Beschäftigte" definiert das Statistische Bundesamt befristetet Arbeitsverhältnisse, Teilzeitbeschäftigungen mit 20 oder weniger Stunden pro Woche, Zeitarbeitsverhältnisse und geringfügige Beschäftigung.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich ist es - zunächst - besser, einer Beschäftigung nachzugehen, statt morgens hinter der Gardine zu beobachten, wie Andere zur Arbeit gehen. Psychische, auch physische Schäden sind oft genug die Folge. Doch die Frage ist, zu welchen Bedingungen gearbeitet wird. Bis zu einem Jobwunder ist es wohl noch ein weiter Weg.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de