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Zehn Gramm CO2 Der Sieg der Autokanzlerin

von Hubertus Volmer

Den Streit um Klimaschutzziele für die europäische Autoindustrie hat die Bundesregierung gewonnen. Bis 2012 soll die Industrie den CO2-Ausstoß auf durchschnittlich 130 Gramm je Kilometer bei Neuwagen senken. Ursprünglich waren 120 Gramm im Gespräch. Noch ist der Vorschlag der Kommission nur eine Diskussionsgrundlage. Der fertige Gesetzentwurf soll Ende des Jahres vorliegen, EU-Parlament und Mitgliedstaaten müssen ihm zustimmen.

Das siegreiche Papier stammt nicht etwa aus der Feder von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas. Urheber ist der deutsche Industriekommissar Günter Verheugen. Er nennt sein Konzept den "integrierten Ansatz". Sein Ansatz soll den Klimaschutz mit dem "Schutz von Arbeitsplätzen in einer unserer Schlüsselindustrien" verbinden. Verheugen setzte durch, dass nun auch Reifendruck, Verkehrsleitsysteme und Biosprit-Anteile berücksichtigt werden.

Umweltschützer sind empört. "Das Einrechnen optionaler technischer Sparmaßnahmen oder des Biospriteinsatzes sind Taschenspielertricks, mit denen vom Versagen insbesondere der deutschen Autohersteller abgelenkt wird", sagt Angelika Zahrnt, die Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

"Ich verspreche mir sehr viel vom Element Biokraftstoff", hatte Verheugen schon Mitte Januar verkündet. Der Einsatz von Biosprit soll eine CO2-Reduktion von etwa fünf Gramm bringen, fünf weitere Gramm sollen daher kommen, dass Autofahrer künftig früher Hochschalten und mit ordentlich aufgepumpten Reifen fahren. Für beides soll es künftig Anzeigen in den Autos geben - also noch mehr Schnickschnack im Armaturenbrett.

Allerdings ist fraglich, ob Biokraftstoffe wirklich klimaneutral sind. Der OECD-Direktor für Handel und Landwirtschaft, Stefan Tangermann, nannte die Klimabilanz von Biosprit "mehr als ernüchternd". Die Förderung von Biokraftstoffen sei ein "Irrweg", sagte Tangermann der "Zeit", es sei "absurd", wenn die EU die geplanten Grenzwerte für den Kohlendioxid-Ausstoß von Autos lockere, sofern mehr Biosprit verwendet werde.

Das Papier der EU-Kommission ist die Antwort auf die gescheiterte Selbstverpflichtung aus dem Jahr 1998. Damals stießen Autos in Europa im Schnitt noch rund 185 Gramm pro Kilometer aus. Die europäischen Autobauer verpflichteten sich, den CO2-Ausstoß ihrer Neuwagen-Flotte bis Ende 2008 auf durchschnittlich 140 Gramm pro Kilometer zu senken. 140 Gramm entsprechen etwa einem Verbrauch von 5,8 Litern Benzin oder 5,1 Litern Diesel pro 100 Kilometer. Für 2012 hielt die Industrie damals das Ziel von 120 Gramm CO2 je Kilometer für möglich. All diese Grenzwerte gelten für den Durchschnitt aller in der EU verkauften Personenwagen, nicht pro Land, nicht pro Hersteller, nicht pro Pkw. Von den Zielen von 1998 ist die Industrie noch immer weit entfernt. Der Kohlendioxid-Ausstoß liegt derzeit bei gut 163 Gramm.

Der Clou des Verheugen-Konzepts ist es nun, die Autobauer zu einem Teil aus der Verantwortung zu entlassen. Ausdrücklich hebt die Strategie der Kommission hervor, dass durch die Gesetzgebung kein Autotyp und keine Klasse diskriminiert werden darf. Zu Recht betont Verheugen die Verantwortung der Käufer - um sich sogleich selbst aus der Verantwortung zu stehlen. "Es geht nicht darum, jemandes Lebensstil zu regulieren." Das Kaufverhalten des Jahres 2012 könne er nicht voraussehen. "Wenn die Menschen weiter größere und schwere Autos kaufen, dann kann man auch irgendwann mit besserer Fahrzeugtechnik nichts mehr erreichen."

An den eigenen Zielen gescheitert

Klimaschutz ist eine Frage von Prioritäten. Wer die legitimen Interessen der Automobilindustrie über den Klimaschutz stellt, sollte dies klar sagen. Doch die Autokanzlerin lässt den Regierungssprecher verkünden: "Die Bundesregierung steht für einen ehrgeizigen Klimaschutz." Deutschland hält sich für einen "Vorreiter" im Klimaschutz. Die Realität sieht anders aus. In der Hitparade der Länder, die am meisten CO2 emittieren, steht Deutschland auf Platz sechs.

EU-Umweltkommissar Dimas hat Recht: Staaten wie Großbritannien und Schweden sind näher an ihrem Kyoto-Ziel als Deutschland. Andere Staaten, so Dimas, versteckten sich hinter Deutschland. "Erst wenn Deutschland den schönen Reden Taten folgen lässt, können auch die anderen sich nicht mehr verstecken."

Mehrfach hat Bundeskanzlerin Angela Merkel versprochen, ihre Regierung werde sich im Kampf gegen den Klimawandel besonders engagieren. Der Klimaschutz sollte eigentlich als eines von drei Themen im Mittelpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft stehen. Das Motto der Ratspräsidentschaft lautet: "Europa gelingt gemeinsam". Schon nach fünf Wochen ist klar: Deutschland ist am eigenen Anspruch gescheitert. Im Klimaschutz hat die Bundesregierung die Rolle des Bremsers übernommen. Beim Streit um die Klimaschutz-Richtlinien ging es Merkel weder ums Klima noch um Europa. Es ging wieder einmal nur um Partikularinteressen.

Quelle: ntv.de

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