Streit und Unvermögen Die Ampel ist dabei, Deutschland zu ruinieren


Friede, Freude, Ampel? Von "Mehr Fortschritt wagen", verbunden "mit einem Sicherheitsversprechen" ist so gut wie nichts übriggeblieben.
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Nach 16 Jahren Merkel-Stillstand haben sich SPD, FDP und Grüne unter dem Motto "Mehr Fortschritt wagen" daran gemacht, die Bundesrepublik zu erneuern. Übrig geblieben ist davon so gut wie nichts. Allein das Fundament für Populismus von links und rechts wird dadurch noch größer.
Als SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorstellten, verströmten die Partner so etwas wie die dringend nötige Aufbruchstimmung nach 16 Jahren Angela Merkel. Tatsächlich enthielt die Vereinbarung teils mutige Vorhaben. Vor allem der Ton machte die Musik. Die Ehrlichkeit von Robert Habeck war neu im politischen Berlin. Er sprach offen über das Risiko für Grüne und FDP, durch Abstriche an Forderungen die eigene Klientel zu verärgern. Habeck erinnerte an seine Worte vor der Bildung der schwarz-gelb-grünen Jamaika-Koalition 2017 in Schleswig-Holstein: "Kann sein, dass wir jetzt eine Entscheidung treffen, die uns in den Abgrund führen wird."
Das Abkommen der Ampel erhielt folgerichtig die Überschrift "Mehr Fortschritt wagen". Dahinter steckte der richtige Gedanke, dass das Denken in zwei Lagern, links und rechts, nicht mehr die Wirklichkeit abbildet. Verankert ist das in der Präambel, der feierlichen Einleitung des Koalitionsvertrags: "Wir haben unterschiedliche Traditionen und Perspektiven, doch uns einen die Bereitschaft, gemeinsam Verantwortung für die Zukunft Deutschlands zu übernehmen, das Ziel, die notwendige Modernisierung voranzutreiben, das Bewusstsein, dass dieser Fortschritt auch mit einem Sicherheitsversprechen einhergehen muss und die Zuversicht, dass dies gemeinsam gelingen kann."
Kurzum: Friede, Freude, Ampel. Doch kaum waren die Lobeshymnen auf den eigenen Mut und das gegenseitige Vertrauen, die Herausforderung zum Wohle der Bevölkerung zu meistern, verklungen, begann der Streit. Ein Konflikt löst seither den nächsten ab, nur unterbrochen von Beteuerungen, dass nun aber wirklich ganz bald alles besser wird, was allerdings niemand mehr glaubt, weil die Erfahrung eine andere Sprache spricht. Von "Mehr Fortschritt wagen", verbunden "mit einem Sicherheitsversprechen" ist so gut wie nichts übriggeblieben, im Gegenteil liegt Mehltau über dem Land mit einer deprimierten, gereizten und verunsicherten Bevölkerung, in der der Staat zunehmend als hilflos empfunden wird.
Von Beginn an – also schon vor Russlands Überfall auf die Ukraine mit all seinen dramatischen Folgen – war klar, dass es die Ampel brutal schwer haben würde, in Zeiten wachsender Polarisierung Kompromisse zu finden, die die Basis der drei Parteien und die große Mehrheit der Gesellschaft jubeln lassen. Trotzdem greift es zu kurz, die Schuld an der Misere nur Putins Krieg anzulasten. Es ist vor allem die Art und Weise des Regierens zwischen Mittelmaß und Unvermögen, die frustriert. Bitter rächt sich nun, dass der Koalitionsvertrag an zentralen Stellen unkonkret blieb. Die Aufbruchstimmung verwandelte sich in Selbstblockade zulasten des Landes.
Scholz - ein Mix aus Buddha und Beamter
Über dem Ganzen thront reg- und sprachlos Olaf Scholz als Mix aus Buddha und Beamter. "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch", hatte er vor der Bundestagswahl gesagt. 73 Prozent der Wählerinnen und Wähler sprechen ihm Durchsetzungsfähigkeit ab - ein enormer Wert für einen Regierungschef, der ein Land führt, das (noch) die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ist. Der Kanzler nannte "die Diagnose" kürzlich "nicht zutreffend". Die Reaktion auf das desaströse Umfrageergebnis offenbart die Kluft zwischen dem Eigenbild eines Berufspolitikers und der öffentlichen Wahrnehmung. 73 Prozent irren also. Bescheidenheit und Demut vor der Wählerschaft sähen anders aus.
Scholz führt nicht, sondern ist ein stiller Beobachter - und Genießer - der Lage. Als wäre das Smartphone noch nicht erfunden, schrieb er seiner Familienministerin Lisa Paus im Ringen um die angedachte Kindergrundsicherung einen Brief, der als "Machtwort" gewertet wurde. Welche Wirkung das hatte, weiß seit Mittwoch die ganze Nation: keine. Die Grünen-Politikerin stoppte im Kabinett das Gesetz für (hoffentlich) mehr Wirtschaftschancen von Finanzminister Christian Lindner, weil der keine Milliarden für ihr Projekt lockermachen will. Das ist Erpressung, also die Form der Politik, die die Grünen gerne autokratischen Machthabern vorwerfen.
Der Kanzler war darauf nicht vorbereitet. Oder es war ihm egal. In seinem Kabinett darf sowieso jeder machen, was er will. Innenministerin Nancy Faeser, die in Hessen Ministerpräsidentin werden möchte, hat ihr Ressort zum Wahlkampfbüro umgestaltet und bastelt sich ein Image als Law-and-Order-Politikerin, die nicht vor verfassungswidrigen Kollektivausweisungen von Familienangehörigen von Straftätern zurückschreckt - normalerweise kriegen Ideen dieser Art von der SPD die Aufschrift "rechtspopulistisch" angeheftet.
Bei der Reisediplomatie von Außenministerin Annalena Baerbock fällt es mitunter schwer, zwischen Notwendigkeit und PR-Terminen zu unterscheiden. Als Oppositioneller erklärte Christian Lindner: "Die Digitalisierung ist mir ein persönliches Herzensanliegen." Als Finanzminister will er die Ausgaben für Computer und Software in den Verwaltungen des Bundes von 377 Millionen auf 3,3 Millionen Euro kürzen. Und nebenbei stichelt er gegen die Grünen, als würde er nicht mit ihnen koalieren.
Die Angst geht um
Die Bevölkerung hat sich an all das gewöhnt, aus Politikmüdigkeit ist -starre geworden. Oder Radikalität, hinter der der Wunsch gedeiht, ein deutscher Trump möge es richten. Von dem, was gelingt, wie die Wohngeldreform von Bauministerin Klara Geywitz, mit der mehr Leute der unteren Mittelschicht entlastet werden und die Bürokratie verringert wird, bekommt bei all dem Getöse niemand etwas mit. Im Gedächtnis bleiben der "Heizungshammer" und das - vor allem auch psychologisch unkluge - Abschalten der Atomkraftwerke.
Die Angst geht um - und wird nicht kleiner. Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit sind in Gefahr. Die Inlandsnachfrage schwächelt, Deutschland setzt weiter auf den Export, der voraussetzt, dass der Welthandel floriert. US-Präsident Joe Biden hat ein rund 433 Milliarden Dollar schweres Investitionspaket angeschoben, um die amerikanische Industrie klima- und zukunftsfest zu machen. Die Ampel tut indes so, als warte der Rest der Welt nur auf innovative Weltrettungsprodukte "Made in Germany". Der Versuch, Klimaschutz mit wirtschaftlichem Aufbruch zu verbinden, kommt nicht vom Fleck, sieht man von ein paar Windrädern mehr ab.
Was bleibt, sind gesellschaftspolitische Beschlüsse wie das Gesetz, das das Leben für trans- und intergeschlechtliche Menschen verbessern soll, oder die Legalisierung von Cannabis. Die aber stärken nicht die Basis für wirtschaftliches Gedeihen. Da muss sich niemand wundern, warum die AfD bei konstant 21 Prozent Zustimmung steht. Schon der hohe Umfragewert wird dafür sorgen, dass es nicht zu einer Neuwahl kommt. Das Bündnis wird bis Herbst 2025 durchhalten in der Hoffnung, dass die AfD bis dahin wieder verliert. Man muss kein Prophet sein, um zu sagen: Die AfD wird nicht einbrechen, dafür ist es zu spät. Nach 16 Jahren Merkel-Stillstand ist die Ampel dabei, Deutschland zu ruinieren. Traurig. Denn das Fundament für Populismus von links und rechts wird dadurch nur noch größer.
Quelle: ntv.de