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Zwischenruf Die Angst vor den Wölfen

Bei einem Selbstmordanschlag in Ramadi kamen am 8. August sieben Menschen ums Leben.

Bei einem Selbstmordanschlag in Ramadi kamen am 8. August sieben Menschen ums Leben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die USA wollen aus dem Irak abziehen. Aber die Lage im Land ist ernst. So ernst, dass sogar aus einem Gefängnis bei Bagdad der Hilferuf ertönt: "Überlasst den Irak nicht den Wölfen!"

Je näher der Termin für den vollständigen Abzug der US-amerikanischen Kampftruppen aus dem Irak rückt, desto augenscheinlicher wird, dass die angebliche Befriedung des Landes kaum mehr als Augenauswischerei ist. Begonnen hatte die neuerliche Terrorwelle Ende Juli mit einem Selbstmordattentat auf die Bagdader Vertretung des in Dubai ansässigen Nachrichtensender Al-Arabija; Anfang des Monats kam es zu blutigen Anschlägen in Basra und Ramadi. Die fast 70 Toten beim jüngsten Anschlag von Bagdad stellen augenscheinlich nur den vorläufigen Höhepunkt dar.

Hinter den Morden steht offenbar der von Zweckoptimisten bereits totgesagte irakische Arm von Al-Kaida. Dem Vernehmen nach bemühen sich die Terroristen um ein Bündnis mit den Kämpfern im sogenannten sunnitischen Dreieck zwischen der Hauptstadt, Ramadi und Tikrit, der Geburtsstadt von Saddam Hussein. Diese waren durch US-Dollars ruhig gestellt worden und hatten sogar auf Seiten von US-Einheiten gegen Al-Kaida gekämpft. Nun, mit dem Nahen des Abzugsbeginns, befürchten sie, dass die Geldquellen versiegen oder die Scheine in fremde Taschen wandern.

Irak soll alleine für Sicherheit sorgen

Ab September sollen irakische Armee und Polizei allein für die Sicherheit zwischen Euphrat und Tigris die Verantwortung für Ruhe und Ordnung übernehmen. Die amtierende Regierung versucht deshalb die Personalstärke durch neue Rekrutierungen zu erhöhen. Nicht zufällig sprengte sich der Attentäter von Bagdad vor einem Büro in die Luft, vor dem junge Männer darauf warteten, sich für den Armeedienst einzuschreiben.

Die Instabilität nimmt auch zu, weil grundlegende Probleme der Gesundheits-, Wasser- und Stromversorgung immer noch einer Lösung harren. Wie soll der öffentliche Dienst auch funktionieren, wenn es fünf Monate nach den Parlamentswahlen immer noch keine Regierung gibt?

Widerstand gegen al-Maliki

Die zweitplatzierte, mehrheitlich sunnitische Gruppierung Al-Irakia von Ex-Premier Ijad Allawi macht dem schiitischen Wahlsieger Ministerpräsident Nuri al-Maliki den Posten des Regierungschefs streitig. Auch innerhalb von dessen Rechtsstaatsallianz regt sich Widerstand gegen ihn, der vor allem von der Bewegung des Hasspredigers Muktada al-Sadr und dem Hohen Islamische Rat im Irak ausgeht.

Bürgerkrieg und Dreiteilung des Landes lautet die Schrift an der Wand. Die Lage ist so ernst, dass der Christ Tarik Asis, früher Vizepremier und dann Außenminister des Saddam-Regimes, aus dem Gefängnis heraus an US-Präsident Barack Obama appelliert: "Überlasst den Irak nicht den Wölfen!" Obamas Verteidigungsminister Robert Gates hat die Botschaft verstanden und schließt eine Verlängerung des Kampftruppeneinsatzes nicht mehr aus.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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