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Zwischenruf Die Suppe selbst eingebrockt

Klein wäre das Salär und schmal die Kost, lässt Carl Zeller die Christel von der Post in seinem "Vogelhändler" singen. Es hatte sich nicht viel geändert, seit die Operette 1891 im Theater an der Wien uraufgeführt wurde, was wohl der wichtigste Grund war, dass sich Arbeitgeberverband Postdienste und Gewerkschaft ver.di auf einen Mindestlohn einigten. Zudem stand - natürlich auch - die sehr eigennützige Absicht dahinter, die privaten Postdienste nicht zu einer ernsthaften Konkurrenz werden zu lassen. Wären diese gezwungen, den durchaus nicht üppigen Betrag von 9,80 Euro im Westen, neun im Osten zu zahlen, hätten sie kaum eine Chance, die frühere "gelbe Post" durch Billiglöhne zu unterbieten.

Hieß es nach dem gegen den zähen Widerstand der Union zustande gekommenen Kabinettsbeschluss, den Mindestlohn für allgemeinverbindlich zu erklären zunächst, die privaten Zusteller müssten dichtmachen, so kam es doch ganz anders. Zusteller wie PIN und TNT Post machen munter weiter, der Stellenabbau hielt sich in Grenzen.

Misslungener Griff nach dem US-Markt

Das nun in zweiter Instanz gesprochene Urteil greift auf das Konstrukt zurück, eine Allgemeingültigkeit wäre wie im Entsendegesetz nur dann möglich, wenn die Privaten keinen Tarifvertrag hätten. Stimmt, den haben sie. Aber auf niedrigerem Lohnniveau. Die Arbeitgeber beriefen sich auf einen Tarifvertrag mit der aus dem Boden gestampften Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste GNBZ. Dieser aber war gerichtlich erst Ende Oktober der Status als Tarifverhandlungsmacht aberkannt worden. Der Grund: Verdacht auf Finanzierung einer Gegengewerkschaft durch die Arbeitgeberseite. Nachgerade abenteuerlich wirkt da das Wort des Berliner Oberverwaltungsberichts, dies sei nicht ausschlaggebend.

Der Bundesarbeitsminister will in Revision gehen. Es ist ihm zu wünschen, dass er Erfolg hat. Auch, wenn sich die Regierungen mit der Privatisierung der Deutschen Post Mitte der 90er Jahre die Suppe eigentlich selbst eingebrockt haben. Zudem steht der Konzern heute wegen des misslungenen Griffs nach dem US-Markt mit Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe da. Das Geld wird immer noch mit der herkömmlichen Brief- und Paketzustellung verdient.

Die Aufgabe der Deutschen Post sollte darin bestehen, Korrespondenzen und Pakete in Deutschland rasch von A nach B zu befördern. Zu vernünftigen Löhnen. Die auch für die Privaten gelten sollten.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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