Kommentar zur Affäre Olmert Gescheiterte Existenzen
02.05.2007, 18:24 UhrVon n-tv Korrespondent Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Noch nie, in keinem Land der Welt, dürfte einer Regierung mit so scharfen Worten ein völliges Versagen auf der ganzen Linie bescheinigt worden sein - die von Premierminister Ehud Olmert ernannte Prüfungskommission zum Funktionieren der Regierung vor und während des Libanonkrieges geht mit der israelischen Führung hart ins Gericht.
Ein japanischer Politiker hätte wohl Harakiri gemacht, wenn ihm derartiges Scheitern öffentlich bescheinigt worden wäre. Woanders hätte man ein "impeachment" angestrengt oder Neuwahlen ausgerufen. Tatsächlich formierte sich in der Kadimapartei schon ein "Putsch" gegen Olmert. Verteidigungsminister Amir Perez denkt an ein Rückzugsgefecht. Aber Israel wäre ein allzu normales Land, wenn sich die allesamt gescheiterten Existenzen mit ihren Korruptionsaffären und polizeilichen Verhören umgehend ins Privatleben oder gleich ins Gefängnis zurückziehen würden.
In Israel geht die chaotische Innenpolitik andere Wege. Olmert erhält laut Umfragen weniger als 3 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung. Doch unmittelbar nach der Entgegennahme des vernichtenden Urteils über seine Fähigkeiten, das Land in Kriegszeiten verantwortungsvoll zu lenken, verkündet er, der Einzige zu sein, der die Mängel beheben könne. Die potenzielle Nachfolgerin von Olmert legte ihm nahe, zurückzutreten, will aber selber nicht die Regierung verlassen, falls er das nicht tut. Auch Neuwahlen sind undenkbar, weil die Abgeordneten ebenso wie Olmert und die meisten Minister an ihren Sitzen kleben.
Der Staat befindet sich in einer seiner schlimmsten innenpolitischen Krisen seit seiner Gründung vor 59 Jahren. Die Arbeitspartei mit ihrem gescheiterten Verteidigungsminister Amir Perez zerfleischt sich selbst bei internen Machtkämpfen. Mehreren Parteien droht im Falle von Neuwahlen Wählerschwund oder Auflösung. Die Bevölkerung ist politikmüde. Die unzähligen Korruptionsaffären erzeugen nur noch Ekel. Die endlosen politischen Debatten in den Nachrichtensendungen erzielen geringere Einschaltquoten als an Tagen, wo nichts passiert ist, außer ein paar Autounfällen. Prognosen lassen sich so nicht aufstellen, außer, dass Olmert den Israelis wohl noch lange Zeit als Premier erhalten bleibt.
Quelle: ntv.de