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Börsenkolumne Helm auf im Dax

Könnte der DAX so, wie er wollte, wäre er noch längst nicht bereit, schon jetzt den großen Sprung übers alte Rekordhoch zu wagen. Dies hat er in den letzten Wochen mehrfach bewiesen: Immer, wenn er seinem gut 7 Jahre alten Gipfel nahe kam, drückten ihn Verkäufe wieder runter. Selbst, als er am Freitag früh ein Schnupperhoch markierte (kurzes Überspringen des alten Rekordes), hatte er es eilig, danach gleich wieder darunter zu fallen.

Aber vermutlich wird der DAX nicht so können, wie wer will. Denn die Wall Street dürfte etwas anderes im Sinn haben. Dort macht sich nämlich der S&P 500 daran, ebenfalls seinen Rekordstand zu knacken. Und allem Anschein nach tut er dies mit sehr viel mehr Elan als der DAX hierzulande. Der S&P ist, ich kann es nicht häufig genug betonen, eines der wichtigsten Börsenbarometer der Welt. Vielleicht sogar noch bedeutender als der Dow Jones, auch wenn dieser der berühmtere von beiden ist.

Am Freitag Abend hat nun auch der S&P zum ersten Mal seit 7 Jahren Rekordluft geschnuppert. Noch ist der richtige Durchbruch über den alten Höchststand nicht gelungen. Aber nach allem, was die Wall Street in den vergangenen Tagen gezeigt hat, stehen die Chancen dafür gut. Und wenn der S&P es schafft, wird sich der DAX nicht dagegen stemmen können. Denn im Zweifelsfalle ist immer noch Amerika der Boss. Geht's dort nach oben, dann steigen die Kurse auch bei uns.

Woher die amerikanischen Börsen ihre augenblickliche Kraft nehmen, ist unter Experten umstritten. Ich persönlich werde den Verdacht nicht los, dass die Chinesen dabei eine wichtige Rolle spielen. Denn sie sind dabei, einen Teil ihrer riesigen Dollarreseven nicht mehr in amerikanischen Anleihen anzulegen, sondern in Aktien.

Ob sich die Börsen dies- und jenseits des Atlantiks einen Gefallen damit tun, schon jetzt die Rekordmarken zu knacken, ist eine ganz andere Frage. Gerade dem DAX hätte es gut angestanden, nach 21% Gewinn im ersten Halbjahr beim alten Rekordstand einmal anzuhalten, Luft abzulassen, um nach einer Bereinigung wieder durchzustarten. Deshalb war dies bis jetzt auch mein favorisiertes Szenario.

Mit einem Ausbruch schon jetzt setzt sich der DAX dagegen unter enormen Aufwärtsdruck. Denn ein solcher Ausbruch ist ein Kaufsignal, sogar eines der besten, das die Chartlehre kennt. Um es nicht zu einem Fehlsignal werden zu lassen (auch solche gibt es leider) MUSS der DAX im Anschluss daran weiter steigen, koste es was es wolle. Auch deshalb, um sich Luft zu verschaffen für einen späteren Rückschlag, auch "Korrektur" genannt. Diese Korrektur wird kommen, das ist sicher, weil der Markt sie zur Bereinigung irgendwann braucht. Wenn nicht jetzt, dann eben später. Und sie wird umso heftiger ausfallen, je steiler vorher der Anstieg war.

Sollte der DAX aber bei dieser Korrektur unter sein jetziges Ausbruchsniveau zurückfallen, wäre langfristig großer Schaden angerichtet. Denn dies gälte dann umgekehrt als großes Verkaufssignal. Aus der Korrektur könnte dann eine regelrechte Baisse werden, also ein Rückgang, der noch länger dauern und noch tiefer gehen würde. Allein schon, um dies zu verhindern, müsste der DAX nach einem Ausbruch also steigen, steigen, steigen. Die Bullen an der Börse stünden unter erheblichem Umsetzungsdruck.

Aber Lamentieren und Zweifeln hilft nicht. An der Börse ist nur derjenige erfolgreich, der versteht, dass SIE die Richtung vorgibt und nicht man selbst. Sollten der S&P und in seiner Folge auch der DAX in nächster Zeit ihre alten Höchststände also überzeugend durchbrechen, bedeutet das für diejenigen Anleger, die schon ausgestiegen sind: noch einmal Helm aufsetzen und wieder einsteigen!

Der "Helm" steht dabei für "Schutz". Konkret: Investment ständig beobachten und auf der Hut sein. Im vorhinein den maximalen Verlust festlegen, den man zu tragen bereit ist, um spätestens dann die Reißleine zu ziehen und zu verkaufen. Läuft es dagegen gut - was zu hoffen ist - Gewinnsicherung nicht vergessen. Das heißt, die Kurse, zu denen die Reißleine gezogen wird, immer wieder nach oben anpassen.

Herzlichst Ihr, meist mit Helm investierender

Raimund Brichta

Quelle: ntv.de

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