Berlusconi und die Deutschen Italiens Probleme sind hausgemacht
27.04.2014, 19:26 Uhr
Angela Merkel - sie ist für Silvio Berlusconi der Sündenbock für viele Probleme Italiens. Doch der Ex-Premier ist nicht der Einzige, der sich damit in die Tasche lügt.
(Foto: imago/Insidefoto)
Berlusconi macht Wahlkampf und setzt voll auf die antideutsche Karte. Dabei ist keineswegs Angela Merkel schuld an Italiens Misere. Die Probleme sind hausgemacht. Doch nur wenige Politiker wollen sich das eingestehen.
"Mehr Italien, weniger Deutschland". Der Wahlkampfslogan der Partei von Silvio Berlusconi lädt geradezu zur Veräppelung ein. Wie wär’s mit "weniger Steuerbetrug, mehr Ehrlichkeit", spotten Nutzer im Internet über den rechtskräftig verurteilten Steuerhinterzieher. Der Schöpfer "eines ausgeklügelten System dauerhafter Steuerhinterziehung, organisiert mit hoher krimineller Energie", wie es Italiens Oberstes Gericht schrieb.
Aber sei’s drum, ein vorbestrafter Steuerbetrüger zu sein, ist bei einem nicht kleinen Anteil des italienischen Wählervolkes ein Ehrentitel. Zwar ist Berlusconis Partei von ihrem Spitzenwert von knapp 40 Prozent vor 10 Jahren auf nun unter 20 Prozent abgefallen, aber ein Fünftel der Wähler des Stiefellandes findet diese Slogans immer noch lustig. Sind es vielleicht dieselben Wähler, die jährlich 120 Milliarden Euro Steuern hinterziehen, wie der Chef der Steuerämter Italiens, Attilio Befera, schätzte?
Die Abneigung, Steuern zu zahlen ist weit verbreitet in Italien. Einer der populärsten Slogans des Politikers und Ex-Komikers Beppe Grillo ist die "Abschaffung der Steuerämter". Populisten unter sich. Dann kann Italien sich den Haushalt gleich direkt von der EZB, von Angela Merkel bezahlen lassen - das ist der heimliche Traum vieler Italiener. Vielleicht sollte man sie einmal an das alte Wort von Margareth Thatcher erinnern, dass der Sozialismus endet, wenn dem Staat das Geld der Anderen ausgeht. Und hier sind, so paradox es klingt, die Sozialisten diejenigen, die leidenschaftlich gern das Geld anderer Leute ausgeben. Vielleicht sollte Angela Merkel ihrem europäischen Parteifreund Berlusconi einmal ein Buch mit Bonmots der verstorbenen englischen Regierungschefin schenken.
Berlusconi - Großmeister des Einlullens
Außer Regierungschef Matteo Renzi und seiner jungen Ministertruppe will es kein italienischer Politiker, weder von rechts noch von links, wahrhaben: Die gigantischen Probleme des Landes sind überwiegend hausgemacht. Viel einfacher ist es, irgendwo anders einen Sündenbock zu suchen.
Seit Anfang der 70er Jahre wird der Sozialstaat Italiens über die Neuaufnahme von Schulden finanziert. Wenn es einmal an Devisen mangelte, musste schon Helmut Schmidt mit dem Dollarköfferchen kommen, um das Land vor der Pleite zu schützen: wir reden von den 70er Jahren, nicht von heute. Von 1996 bis 2007 rettete zuerst die Aussicht auf den Euro und dann der Euro selber den Haushalt Italiens. In Rom bekam man Geld zu deutschen Zinsen geliehen - aber ohne diese Mittel in die Infrastruktur oder die Modernisierung des Landes zu stecken. Es wurde einfach verfuttert.
Es ist unfassbar, wie lange man sich selbst in die Tasche lügen kann. Berlusconi ist der Großmeister des Einlullens. In Italien weiß kaum jemand, dass der kleine Gernegroß aus Mailand im Ausland den Demokraten mimt, alle Verträge unterzeichnet - wie auch den Fiskalpakt -, zu Hause dann aber über eben diesen Pakt und alle anderen Abkommen herzieht und sie als Diktat Deutschlands verleumdet. Er kann sich das erlauben, weil noch immer die Hälfte der Medienlandschaft ihm gehört. Daran hat sich nichts geändert, trotz der schmelzenden Wahlergebnisse.
Mafia, Steuerhinterziehung, Korruption
Ins gleiche anti-deutsche Horn stoßen auch zwei weitere populistische Parteien: die ausländerfeindliche Liga Nord und die Protestbewegung "Movimento 5 Stelle" von Beppe Grillo. Für sie ist Angela Merkel die Hauptschuldige an Italiens Misere, nicht etwa die Mafia, die hohe Steuerhinterziehung, die enormen Fehlzeiten der öffentlichen Bediensteten, die hohe Korruption. Als hätte Angela Merkel angeordnet, den Mafia-Familien entlang der Autobahn zwischen Salerno und Reggio Calabria eine Viertelmilliarde Euro auszuzahlen. Darüber herrscht peinliches Schweigen. Lauthals wird dagegen über die Mittel-Streichung durch die Anti-Betrugs-Einheit der EU geklagt. Alles eine Verschwörung der Deutschen gegen das lautere Land.
Schade, dass so viele Italiener noch immer auf den Rattenfänger von Arcore und seine Schüler hereinfallen. Diesen Leuten mit Geldgeschenken entgegen zu kommen, ist grundsätzlich falsch. Die alte Politikerklasse Italiens, deren Symbol Silvio Berlusconi ist, muss abdanken. Dann kann Italien wieder langsam genesen, sich auf seine vielen Stärken stützen, die dieses Land der Kreativen, harten Arbeiter und Menschen mit Sinn für Ästhetik vorzuweisen hat. Berlusconi aber sollte am besten gleich im Altenheim von Cesano Boscone, in dem er wegen Steuerhinterziehung seine 10 Monat Sozialdienst ableisten muss, um einen Wohnplatz nachsuchen. Da gehört er nämlich hin - zum Besten Italiens.
Udo Gümpel ist n-tv Korrespondent in Rom.
Quelle: ntv.de