Zwischenruf Kein Wechsel in Sicht
17.07.2008, 14:03 UhrFast zeitgleich haben sich Russlands Staatschef Dimitri Medwedew und der Präsidentschaftsbewerber der US-Demokraten Barack Obama zu außenpolitischen Grundsatzfragen geäußert. Der eine, weil er auf diesem Gebiet bislang kaum durch eigene Ideen hervorgetreten ist, der andere, weil ihm die Felle davonzuschwimmen drohen. Was beide verkünden, ist keineswegs neu und knüpft an die bisherige Politik an. Allenfalls gibt es ein paar neue Akzentsetzungen.
Der Nachfolger von Wladimir Putin orientiert auf eine stärkere Ausrichtung seines Landes auf die so genannten Schwellenländer. Dabei hat er neben Brasilien vor allem China und Indien im Auge, aber nicht nur. Dies hatte Medwedew schon mit seiner ersten Auslandsreise im Amt angedeutet, die ihn in das rohstoffreiche Kasachstan geführt hatte. Die einstige mittelasiatische Sowjetrepublik gehört wie die Russische Föderation und die Volksrepublik der Shanghai-Gruppe an, in der der Iran einen Beobachterstatus besitzt. Neben der ökonomischen hat die Shanghai-Gruppe auch eine militärische Komponente, was bereits zu gemeinsamen russisch-chinesischen Manövern geführt hatte. Brasilien bastelt seit geraumer Zeit an einer südamerikanischen Militärallianz, die unter Einschluss weiterer linksregierter Staaten des Subkontinents ein Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten bilden soll.
Kein rascher Rückzug der US-Truppen
Für Obama geht es vorrangig um das Engagement seines Landes im Mittleren Osten und Afghanistan. Im Unterschied zu früheren Positionen steht dabei aber nicht der möglichst rasche Rückzug des US Army im Vordergrund. Dies kann dem Senator aus Illinois Punkte bei den Anhängern der Republikaner bringen. Es kostet ihn aber schon jetzt bei Sympathien bei den liberalen Wählerschichten, die auf sein Wort vom "Wandel" vertraut hatten. Die Präsenz im Irak soll verringert, die Intervention in Afghanistan hingegen verstärkt werden. Da trifft sich Obama durchaus mit Amtsinhaber George W. Bush. Dies gilt auch für die Haltung gegenüber dem Iran. Wie dieser will Obama im Atomstreit keine, also auch nicht die militärische, Option ausschließen. Zum geplanten US-Raketenabwehrschirm in Polen und Tschechien äußerte sich Obama nicht, doch eine Abkehr von der bisherigen Linie ist kaum zu erwarten. Medwedew hat seine strikte Ablehnung des Projekts bereits mehrfach kundgetan. Wie Russland "technisch-militärisch" reagieren will, ist noch offen. Dass dabei aber auch wirtschaftliche "Waffen" zum Einsatz kommen ist spätestens seit der Kürzung von Erdöllieferungen an Tschechien klar. Moskau antwortet damit auf die Einigung zwischen Prag und Washington über den Bau einer Radarfrühwarnanlage in Westböhmen.
Immer deutlicher wird, dass mit dem vollzogenen Wechsel an der Spitze im Kreml und dem möglichen im Weißen Haus kein Wechsel in der Außenpolitik bevorsteht. Beide Seiten verfolgen eine Linie, die auf die Durchsetzung ihrer jeweiligen strategischen Ziele gerichtet ist. Vereinzeltes Schwalbengezwitscher macht noch kein Sommerkonzert.
Quelle: ntv.de