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Härtere Regeln, endlich "Links ist vorbei?" Beim Bürgergeld stimmt es mal

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22. Februar 2025 beim Wahlkampfabschluss von CDU und CSU in München: "Links ist vorbei", rief Merz an diesem Tag.

22. Februar 2025 beim Wahlkampfabschluss von CDU und CSU in München: "Links ist vorbei", rief Merz an diesem Tag.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Mit der Rückkehr zu Geist und Instrumenten von Hartz IV löst Bundeskanzler Friedrich Merz ein Versprechen aus dem Wahlkampf ein. Und tut endlich etwas fürs Wachstum.

"Links ist vorbei", rief Friedrich Merz seinen Anhängern am Tag vor der Bundestagswahl zu. Er fühlte sich, zu Recht, wie der sichere Sieger. Doch er hatte wohl vergessen, dass er nur mit einer Partei links der Mitte, SPD oder Grünen, eine Regierung würde bilden können. "Links ist vorbei" ist seitdem die Latte, über die der Kanzler muss, die Elle, an der er gemessen wird - nicht zuletzt von der AfD.

Das Generalversprechen ist aber nicht in jedem Fall zu halten, weil dem Wahlsieg Wortbrüche folgten und weil Kompromisse das Wesen jeder Koalition sind. Überall, wo "Links ist vorbei" (bislang) nicht geliefert wird, nagt es am Vertrauen in den Kanzler und seine CDU. Die Umfragewerte von beiden sprechen Bände. Sie sind im Keller.

Kurswechsel geglückt, Wende vollzogen

Umso überraschender, ausgerechnet beim Bürgergeld kann man jetzt getrost sagen: Kurswechsel geglückt, Wende vollzogen. Der Koalitionsausschuss beerdigt Geist und Instrumente des Bürgergelds fast vollständig. Hartz IV feiert Wiederauferstehung, und man darf tatsächlich hoffen, dass es dem Wachstum der Wirtschaft erneut auf die Sprünge hilft. Das wird maßgeblich dadurch gebremst, dass weiterhin deutlich mehr als eine Million Stellen offen sind, Stellen für Facharbeiter wie Ungelernte - trotz der drei Millionen Arbeitslosen.

An zwei zentralen Punkten stellt die Koalition das Bürgergeld vom Kopf auf die Füße. Links ist vorbei: Zum einen bekommt die möglichst schnelle Vermittlung in Arbeit für fast alle Arbeitslosen wieder den alten Vorrang. Auch unbequeme Arbeit sei besser als keine Arbeit, hieß es bei der SPD zu Agenda-Zeiten. Der Satz stammt vom damaligen Generalsekretär - Olaf Scholz. Weiterbildung rückt mit den neuen Beschlüssen in den Rang zurück, in den sie gehört: nicht als Regelleistung für jeden und alle, sondern als gezielte Hilfe, wo sie für den Einzelnen einen Unterschied macht.

Zweitens gilt endlich jene Logik, die das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren zur Richtschnur erklärt hat: Wer zumutbare Arbeit ablehnt, kann das tun, aber er bekommt dann keine staatliche Unterstützung, kein Bürgergeld. Wer auf bezahlte Arbeit verzichten kann, ist offenkundig nicht so bedürftig, dass er Bürgergeld bekommen sollte.

Jetzt müssen die Jobcenter umschalten

Ist das herzlos und kalt? Die SPD war lange dieser Meinung, weshalb sie mehr als zehn Jahre damit zugebracht hat, Hartz IV erst zu entschärfen und mit dem Bürgergeld 2023 endgültig abzuwickeln. Es waren mehr als zehn Jahre des kontinuierlichen Niedergangs, in denen man den Grund dafür nicht wahrhaben wollte. Auch das scheint jetzt anders: Selbst an der Spitze der SPD ist "links vorbei", zumindest beim Bürgergeld. Die Sozialdemokraten von der Alltags-Front, in den Arbeitsagenturen, Jobzentren und Bürgermeister-Ämtern, haben sich durchgesetzt. Lange warnten sie vergeblich davor, wie ungerecht Arbeiter und Angestellte es in der Regel fanden, wenn sie selbst morgens schuften gehen - aber ihre Partei das Bürgergeld für Arbeitslose als "Bringschuld" des Staates definierte. Warum Bringschuld? In einer normalen Welt haben Arbeitslose Anspruch auf Unterstützung, ja. Und zugleich die Pflicht, alles zu tun, wieder Arbeit zu finden. Das Bürgergeld stand viel weniger als Hartz IV für diese Haltung. So gesehen war das Bürgergeld ein linker Fehler, ein Missverständnis der Linken. Vorbei. Gut so.

Was folgt, ist die "Wahrheit aufm Platz". Die nötigen Gesetze zu beschließen, wird recht schnell gehen, mancher Streit der Koalitionäre ums Kleingedruckte inklusive. Dann folgt die Praxis in den Arbeitsagenturen und Jobcentern. Mehr als 110.000 Mitarbeiter hat die Behörde insgesamt, auf die mit "Kundenkontakt" wird es ankommen. Wie schnell schalten sie um? Wie energisch vollziehen sie die neuen, härteren Regeln, die ja auch Härten für Einzelne bringen werden? Das ist offen.

Die Bundesregierung hat eine Wende vollzogen, das ist ein Wert an sich. Denn sie hat damit die AfD Lügen gestraft, die lauthals behauptet, dass der Wähler immerfort "Links-Grün-versifft" bekommt, selbst wenn er CDU/CSU wählt. Gut möglich bis wahrscheinlich, dass die Reform ihre positive Wirkung entfaltet, für wirtschaftliches Wachstum und staatliche Ausgaben. Aber sicher ist es nicht.

Quelle: ntv.de

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