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Der Kommentar Maßvoll zuversichtlich

Unvermeidlich hat die Finanz- und Wirtschaftskrise die Generaldebatte über den Bundeshaushalt beherrscht. Außen-, Umwelt-, Bildungspolitik waren in der Rede der Kanzlerin und den Antworten der Opposition bis zur Grenze der Wahrnehmbarkeit an den Rand gedrängt. In dieser Debatte führte die Bundeskanzlerin ein bemerkenswertes Stück politischer Äquilibristik vor. Angela Merkel wollte die Situation keinesfalls schön reden. "2009 wird ein Jahr mit schlechten Nachrichten", wiederholte sie, die Bürger auf schwere Zeiten vorbereitend. Die Opposition sah darin nur eine vorweg genommene Entschuldigung. Zugleich bemühte sie sich aber auch, maßvolle Zuversicht zu verbreiten: "Deutschland ist sehr stark", sei jedenfalls besser vorbereitet auf die Krise als andere und auch besser als noch vor drei Jahren.

Unglücklicherweise sind selbst in ihrer eigenen Truppe nicht alle davon überzeugt, dass der als "Politik des Maßes, der Mitte und der praktischen Vernunft" definierte Kurs der Regierung die hinreichende Antwort auf die Krise ist. Erst dieser Tage hat Laurenz Meyer, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU, wieder Steuersenkungen, der CSU-Landesgruppenvorsitzende Peter Ramsauer in der Debatte die Beseitigung der heimlichen Progression in der Einkommensteuer gefordert, allerdings ohne Zeitangabe. DIW-Chef Klaus Zimmermann, der im Konjunkturpaket "reine Symbolpolitik" sieht, ist nur eine der skeptischen bis ablehnenden Stimmen aus der Wirtschaftswissenschaft.

Brüderle und Lafontaine einer Meinung

Es wird schwerlich ein anderes Beispiel dafür zu finden sein, dass Oskar Lafontaine und Rainer Brüderle einer Meinung sind. In dieser Debatte äußerten sie sich nahezu wortgleich. "Sie haben Tiefe und Schwere der Wirtschaftslage bis heute nicht erkannt", warf der Liberale der Bundeskanzlerin vor. "Sie haben die Dimension nicht erkannt", sagte der Linke. Mit diesem Negativurteil war die Gemeinsamkeit der äußersten Flügel der Opposition allerdings erschöpft. Was sie vorschlugen, um der Dimension der Krise gerecht zu werden, war mindestens so gegensätzlich wie die Schritte, die weltweit empfohlen und angewendet werden. Die einen senken Steuern, die anderen lehnen Steuersenkungen ab. Die EU-Kommission drängt dazu. Die Kanzlerin lehnte sie wiederum ab und fand ihre Position einigermaßen komfortabel, denn die als kundig geltenden Thebaner sind sch sich ja nicht einig.

In einer Großen Koalition ist Äquilibristik bisweilen unvermeidlich, denn Ziele und Mittel der Partner sind nicht überall deckungsgleich, aber jeder will einen Erfolg an seine Fahne heften. Aber die CDU-Vorsitzende kann sowenig klaren Kurs halten wie die Kanzlerin, wie der Leitantrag für den bevorstehenden CDU-Parteitag deutlich macht. Darin wird eine "solide Haushaltspolitik" gleichrangig neben das Ziel gestellt, dem Bürger "mehr Netto vom Brutto" zu lassen. Willy Brandt hätte eine solche Zielbeschreibung "ein donnerndes sowohl als auch" genannt. Unentschiedenheit hemmt die Koalition und kennzeichnet die CDU. Das ist kein gutes Fundament für die Brücke, die Angela Merkel mit ihrem Konjunkturprogramm ins Jahr 2010 bauen will. Ein visionäres Bauwerk hat sie in der Haushaltsdebatte nicht entworfen. In den Umfragen steht sie derzeit gut da. Im Wahljahr wird für sie entscheidend sein, ob die Bürger dem Bauwerk trauen.

Ihm macht keiner etwas vor: Volker Jacobs berichtet seit 40 Jahren zunächst über die Bonner, nun die Berliner Republik. Für n-tv.de kommentiert er die Kämpfe um Macht und Einfluss.

Quelle: ntv.de

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