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Merkwürdiger Optimismus Merkels Besuch in Israel

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Selbst Israels Freund, Johannes Rau, hat sich nie so uneingeschränkt hinter Israel gestellt, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel das jetzt in Jerusalem tat. Die Feinde Israels, die Hamas der Palästinenser, Irans Präsident mitsamt Atomprogramm, sowie Syrien wurden von Merkel undiplomatisch kritisiert und mit Isolierung bedroht. Die Gefangennahme der 15 britischen Soldaten "hat uns gezeigt, mit wem wir es zu tun haben", sagte Merkel in Jerusalem.

Ganz offenbar ist Merkel nicht in den Nahen Osten gekommen, um mit Israel über Mauer, Sperren oder Details zur Verwirklichung der von Präsident Bush verkündeten und von ihr voll übernommenen Vision einer Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästinenser zu diskutieren. Sie scheint in Saudi Arabien Hinweise erhalten zu haben, dass die gemäßigten arabischen Staaten zu einer Öffnung gegenüber Israel bereit seien. Und da stehen nicht mehr die Palästinenser im Mittelpunkt, sondern der gemeinsame Feind Iran, dessen engster Verbündeter Syrien und nicht zuletzt die Hamas. Mit ihren im Iran ausgebildeten Kämpfern kann die Hamas jederzeit einen Friedensprozess zu Fall bringen. Nicht für Ungut redete Israels Regierungschef von einer "strategischen Gemeinschaft" mit Deutschland, während Merkel die Europäer vor Überheblichkeit warnt, dem Nahen Osten "von oben" oder im Alleingang eine Lösung aufzwingen zu wollen.

Das von Merkel entdeckte "Fenster der Gelegenheiten", den Friedensprozess anzuschieben wird auch vom israelischen Premierminister seit einigen Tagen geradezu euphorisch ausgeströmt. Die Beschlüsse des arabischen Gipfels, in den Israel nur als "Aggressor", "Kriegsverbrecher" und Staat mit zerstörerischen "Ambitionen" dargestellt wird, während die amerikanische Präsenz im Irak nicht einmal erwähnt und Terror gegen Israel ausdrücklich legitimiert wird, werden von Olmert und Merkel aus Hoffnungsschimmer und Beginn eines Wandels in der arabischen Welt mitsamt Öffnung zu Israel interpretiert.

Es ist klar, dass die Araber bei ihrem Gipfel nicht wirklich aufgeschrieben haben, was sie tatsächlich schmerzt und besorgt. Doch Merkel und Olmert verheimlichen offenbar Dinge, die sie wissen oder gehört haben, aber noch nicht reif für Veröffentlichung sind. Anders ist die Diskrepanz zwischen den äußerst negativen Äußerungen der Araber über Israel und die Begeisterung von Merkel und Olmert kaum nachvollziehbar. "Auch ich kann nicht erkennen, woher die Friedensbegeisterung kommt", meinte ein hochrangiger israelischer Diplomat, während ein deutscher Beobachter sagte: "Wenn man ganz tief im Sumpf steckt, muss man wenigstens Optimismus verbreiten, um aus der Patsche wieder rauszukommen."

Quelle: ntv.de

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