Zwischenruf 349 Mission (Almost) Impossible
17.05.2007, 16:53 UhrVon Manfred Bleskin
Angela Merkel ist in die südrussische Millionenmetropole Samara, gelegen an Mütterchen Wolga, gereist. Dort will die Bundeskanzlerin auf einem Gipfeltreffen mit Gastgeber Wladimir Putin und dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Jos Manuel Duro Barroso die Beziehungen zwischen der EU und Russland wieder auf die Reihe bringen. Das Verhältnis zwischen beiden Seiten steckt in der tiefsten Krise seit dem Ende des Kalten Krieges.
Die Ursachen der Spannungen liegen tief. Der größte europäische Staat ist nach dem Desaster unter Boris Jelzin wieder dort angekommen, wo die UdSSR in der Mitte der Ära Gorbatschow aufgehört hatte. Putins Politik ist die Fortsetzung des sowjetischen Imperialstrebens unter neuen Voraussetzungen und mit Mitteln, die nur bedingt anders sind. Dabei hat Russland der Hammer-und-Sichel-Symbolik den Zarenadler hinzugefügt. Die staatssozialistische Wirtschaft der Sowjetunion bewegte sich stets am Rande des Abgrunds. Heuer hingegen sitzt der Kreml auf prallgefüllten Geldtruhen. Die Haupteinnahmequelle sind die Erlöse aus dem Energie- und Rohstoffsektor. Dessen ist sich Putin bewusst und orientiert auf High Tech. Nicht nur im Militär- und im paramilitärischen Raumfahrtsektor, sondern im zivilen Bereich. Dazu braucht er das Europa im Westen.
Die Europäische Union ihrerseits braucht Russland. Zunächst, um Frieden an ihren Grenzen zu sichern. Dann um ihren Energiebedarf zu sichern, und nicht zuletzt stellt das Riesenreich einen hochprofitablen Absatzmarkt dar. Dabei prallen die Interessen beider Seiten aufeinander. Wäre die EU ein Bundesstaat, wäre die Lage kompliziert genug. Doch die Gemeinschaft spricht selten genug mit einer Stimme. Allzu häufig reden 27 durcheinander. Einige ertönen dann besonders laut. Wie die Estlands, Litauens und Polens, die auf der kürzlichen Beratung der EU-Außenminister in Brüssel das deutsche Streben nach Abbau der Spannungen heftiger Kritik unterzogen. Vorgenannte Staaten unterhalten engste Beziehungen zu den USA, deren Außenamtschefin sich vor ein paar Tagen erst in Moskau um gut Wetter bemüht hatte. Ohne Erfolg.
Das Dilemma des Europa der 27 besteht darin, dass es auf einem Seil zwischen der transatlantischen Partnerschaft und der intrakontinentalen Kooperation balanciert. Wenn das Seil heftig schwankt wie heuer, dann schlägt das Pendel naturgemäß in Richtung Washington aus. Eine andere Option käme für die Staaten zwischen Bug und Atlantik einer Selbstaufgabe gleich.
Auf der Agenda in Samara liegt ein dicker Packen: das neue Partnerschaftsabkommen zwischen EU und Russland, die Sicherung der Überflugrechte für EU-europäische Flugzeuge in Sibirien, die in Tschechien und Polen geplanten Basen für das strategische US-Raketenabfangsystem, der künftige Status des Kosovo, der KSE-Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa.
Die von Condoleeza Rice an der Moskwa angestrebte Annäherung gelang nicht. Es dürfte für Angela Merkel an der Wolga schwer werden. Mission almost impossible.
Quelle: ntv.de