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Zwischenruf Nach Köhler ein Wurstelkandidat?

Von einer Krisenbesprechung zur nächsten: Angela Merkel.

Von einer Krisenbesprechung zur nächsten: Angela Merkel.

(Foto: dpa)

Wer immer der nächste Bundespräsident wird, er sollte weder in Westerwelles noch in Merkels Küche zustande kommen. Ein von möglichst vielen Parteien unterstützter Kandidat könnte jenes Zeichen setzen, dessen Deutschland dieser Tage so sehr bedarf.

Die Einschläge werden dichter. Kaum ein Tag, an dem die Koalition nicht neue Hiobsbotschaften verkündet oder zur Kenntnis nehmen muss. Nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten nun das Vierjahrestief der Union bei der Sonntagsfrage und das Dauertief der Freien Demokraten. Die Erkenntnis, dass ein Weiter-so ins Verderben führt, bricht sich nur sehr langsam bahn.

Kommt die Einigung auf eine/n neue/n Bundespräsidenten/in wieder in Guido Westerwelles Küche zustande, wäre dies die Fortsetzung von Horst Köhler mit anderen Mitteln. Selbst, wenn es diesmal die Küche von Frau Merkel wäre. Ein von möglichst vielen Parteien unterstützter Kandidat könnte jenes Zeichen setzen, dessen Deutschland dieser Tage so sehr bedarf.

Was immer man gegen die Kantigkeit eines Hans-Olaf Henkel vorbringen mag, wie schwer das Alter eines Klaus von Dohnanyi auch wiegen mag: Das sind Leute, die wissen, wovon sie reden und kein Blatt vor den Mund nehmen. Und wenn sie mal getreten werden, sind sie stark genug zurückzukeilen oder den Angreifer "nicht einmal zu ignorieren", wie Herbert Wehner vielleicht sagen würde.

Ursachen der Probleme finden

Doch auch ein solcher Bundespräsident allein ist noch nicht der Ausweg. Das eigentliche Problem ist, dass die Ursachen der Probleme nur unzureichend erkannt werden und die Auswege folglich auch nur unzureichend sind. Bestes Beispiel: die Schuldenbelastung. In ihrer jüngsten Regierungserklärung sagt die Kanzlerin, "viele" hätten "zu hohe Schulden gemacht". Das sei die "eigentliche Ursache". Schulden haben Staaten immer gemacht; die Verpflichtungen von Großbritannien stehen denen von Griechenland, Portugal, Italien oder Spanien kaum nach.

Seit Beginn der Finanzkrise aber ist nicht ein einziger Schritt erfolgt, der dem unseligen Wirken von Hedgefonds und Ratingagenturen ein Ende setzt. Die "eigentliche Ursache" von Hellas’ Problemen ist das Wort selbsternannter Experten, die die Kreditwürdigkeit eines Landes herabstufen und damit die Märkte manipulieren. Wenn diesem Tun kein Riegel vorgeschoben wird, ist das nächste Rettungspaket für das nächste Land nur eine Frage der Zeit. Statt spürbare Steuern auf Börsen- und andere Finanztransaktionen zu erheben oder die Vermögenssteuer wieder einzuführen, denkt mal der eine, mal die andere über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, eine Kürzung der Hartz-IV-Bezüge oder rasenmäherartige Subventionskürzungen nach.

Ein überparteiliches Staatsoberhaupt mit Wirtschaftskompetenz wäre zwar nicht die Lösung des Problems, aber zumindest wäre es nicht Teil desselben und könnte Auswege weisen. Ein schwarz-gelber Kandidat würde bedeuten, das Weiterwursteln zu institutionalisieren.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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