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Zwischenruf Nordkaukasus: Terror und kein Ende

Die Terrorwelle fällt in eine Krisenzeit, von der die russischen Kaukasusrepubliken besonders betroffen sind. Eine Lösung der dringenden Probleme ist nicht in Sicht. Der Terror wird weitergehen.

Moskau stehen unruhige Zeiten bevor.

Moskau stehen unruhige Zeiten bevor.

(Foto: dpa)

Die jüngsten Attentate im Nordkaukasus sind sehr wahrscheinlich nicht die letzten, wie der Anschlag auf die Moskauer U-Bahn nicht der erste dieser neuerlichen Terrorserie ist. Schon Anfang Januar hatte ein Anschlag auf eine Polizeieinheit in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala sechs Menschenleben gefordert.

Die islamistischen Separatisten haben ihr Operationsgebiet nach der weitgehenden Einstellung der Kämpfe in Tschetschenien in die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan verlagert. Ihr Ziel besteht nicht etwa in der Unabhängigkeit Tschetscheniens, sondern in der Errichtung eines sunnitischen Reiches, das von Südossetien bis in den Norden der Türkei (!) reicht. Das sogenannte Kaukasus-Emirat verfolgt damit ähnliche expansionistische Ziele wie al-Q’aida im Irak, den die Terrororganisation als Ausgangspunkt für ein Kalifat von Basra bis Tripoli ansieht.

Clans und alte Strukturen

Die gegenwärtige Terrorwelle fällt in eine Zeit der Krise, welche die russischen Kaukasusrepubliken besonders trifft. Inguschetien, Dagestan und Tschetschenien gehören traditionell zu den am meisten unterentwickelten Gebieten der Russischen Föderation, die Arbeitslosigkeit ist besonders hoch. Auch haben sich hier Clanstrukturen erhalten, die zum Teil auch zu Zeiten der Sowjetunion nicht angetastet wurden. So ist die Herrschaft der Kadyrows in Tschetschenien ihrem Wesen nach kaum etwas anderes als die Praxis von Doku Umarow & Co. Der Unterschied besteht darin, dass sich die einen zuungunsten der anderen mit Moskau arrangiert haben.

Der Kaukasus ist Problemzone seit Beginn seiner Eroberung durch Russland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Modernisierung und Unterdrückung waren stets zwei Seiten einer Medaille. Seit dem Zerfall der Sowjetunion brechen die alten, nie ganz zugeschütteten, Gräben wieder auf.

Wie andernorts auch geht der berechtigte Antiterrorkampf in Russland mit Demokratieabbau, Repression und Islamophobie einher, eine Lösung der dringenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme des russischen Kaukasus nicht in Sicht. Der Terror wird weitergehen.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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