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Zwischenruf Sumus papa? Eramus papa!

Von Manfred Bleskin

Wir sind Papst, jubelte es landauf, landab durch manch Medium, als aus Joseph Alois Ratzinger Benedikt XVI. wurde. Viele, vielleicht nicht nur Katholiken, werden es wohl tatsächlich so empfunden haben. Hierzulande kam querbeet so eine Deutschlandfahnenstimmung la religieuse auf, als seit Jahrhunderten wieder ein Landsmann auf dem Stuhl Petri Platz nahm.

Benedikt könne nicht da weitermachen, wo Ratzinger aufgehört hatte. Dachte man. Hoffnungsvoll. Ein Papst kann kein Inquisitor sein. Es gab ermutigende Zeichen. Wie die Begegnung zwischen Hans Küng und jenem Mann, auf dessen Betreiben dem Schweizer "Häretiker" dereinst die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen wurde. Als das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche dann auch noch den Titel Patriarcha Occidentis ablegte, schien dies ein Schritt in Richtung Aufgabe des christlichen Alleinvertretungsanspruchs. Mehr Toleranz, so glaubte man, würde einziehen auf dem Vatikan. Doch die Toleranz, die ein Johannes Paul II. schon beachtlich befördert hatte, nahm eher ab. Zwar besuchte sein Nachfolger die Kölner Synagoge, doch die Weigerung des Nuntius' in Israel, 2005 an den Feierlichkeiten zum Gedenken an die von den Nazis ermordeten Juden in Yad Vashem teilzunehmen, war ein Schritt zurück. Den Terror von islamischen Fanatikern gegen Westeuropäer und US-Amerikaner verurteilt Benedikt. Die jüdischen Opfer vergisst er gelegentlich. Die Aussagen des Papstes zum Islam in Regensburg mögen richtig sein oder nicht: Jesus war sich bewusst, dass seine Worte auch Politik sind. Der heutige Stellvertreter Christi auf Erden scheint dies manchmal zu vergessen.

Auch die Hoffnung auf greifbare Fortschritte in der Ökumene zerschlug sich. Schon das rigorose Vorgehen gegen einen katholischen Geistlichen, der gemeinsam mit protestantischen Brüdern in Christo das Abendmahl gefeiert hatte, ließ aufhorchen. Nun wird durchaus Toleranz (sic!) geübt. Aber im Wesentlichen nur in eine Richtung. Jene, die dem Traditionsbewahrer Benedikt näher steht als die Protestanten. Der Empfang des Aufklärers Küng blieb folgenlos. Nach den Kontakten zur erzkonservativen Priesterbruderschaft St. Pius X. des abtrünnigen Erzbischofs Marcel Lefebvre aber wurde die Tridentinische Messe wieder zugelassen. Immerhin war das Festhalten der Anhänger von Lefebvre am lateinischen Missale Romanum einer der Hauptgründe für das Mini-Schisma nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Wie sollen die Gläubigen das Wort Gottes begreifen, wenn es ihnen in Latein von einem Priester verkündet wird, der mit dem Rücken zu ihnen steht? Wo sie doch manchmal schon Schwierigkeiten haben, wenn er in ihrer Muttersprache predigt und ihnen ins Auge sieht?

Wenige Tage auf die Messentscheidung folgte der nächste Posaunenstoß: In einem Text der Congregatio pro doctrina fidei, deren Präfekt Benedikt gewesen war, heißt es, die Protestanten wie auch andere Glaubensgemeinschaften wären mit "Mängeln behaftet". Es handele sich lediglich um "kirchliche Gemeinschaften". Benedictus PP. XVI. dixit, denn die Abhandlung war von ihm ausdrücklich genehmigt worden.

Wie schon in dem Schreiben "Dominus Iesus", das 2000 unter Ratzingerscher Federführung entstanden war, wird die Einzigartigkeit und damit der Vorrang der römisch-katholischen Kirche bekräftigt. Die evangelischen Kirchen sind demnach also keine Kirchen "im eigentlichen Sinn". Rom bekräftigt mit dem Papier seinen Anspruch auf die "apostolische Sukzession": Nur (römisch-katholische) Päpste und Bischöfe dürfen sich auf Christi Auftrag an die Apostel zur Glaubensverbreitung berufen. Sicher: Die Position ist nicht neu. Aber dass sie heuer bekräftigt wird, lässt Zweifel Willen erkennen, die Annäherung der christlichen Konfessionen auf gleicher Augenhöhe zu betreiben. Der Mann aus Marktl am Inn, der ein "einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn" sein wollte, hat einmal mehr seinen weltkirchlichen Anspruch als Summus Pontifex Ecclesiae Universalis bekräftigt. Von einer Einigung ist die Christenheit wieder entfernter denn je. Schade, sie hätte ein mächtiger Fels sein können in der neoliberalen Brandung.

Sumus papa? Wir sind Papst? Eramus papa. Wir waren Papst. Für ein paar hoffnungsvolle Momente.

Quelle: ntv.de

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