Nur ein moralischer Sieger ZDF und Koch sind die Verlierer
27.11.2009, 20:55 Uhr
Koch hat sich durchgesetzt. Und damit dem politischen Ränkespiel im Medienbereich ein neues Gesicht gegeben - seines.
(Foto: dpa)
„Ein ganz normaler Vorgang.“ Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat seine Unschuldsmiene aufgesetzt - was bei ihm nicht sooo einfach ist. Aber genau das ist das Problem: Die Abwahl des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender aufgrund machtpolitischen Kalküls und durch eine Politiker-Riege, die sich als Volksvertreter tarnt, ist in Deutschland bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine ganz normale Sache.
Chef des ZDF ist der Intendant, Markus Schächter. Der findet seinen Chefredakteur seit sieben Jahren klasse und wusste stets, dass er sich auf Brender verlassen kann. Ob Brender gelegentlich rumpoltert, es ihm am Teamgeist mangelt, er zu unkommunikativ ist? Wissen wir nicht, mag sein, ist auch egal. Wichtig ist, dass Schächter seinen Mann für weitere fünf Jahre im Amt vorschlug. Gewiss, gewichtige Gründe könnte der Verwaltungsrat aufbringen, um eine Vertragsverlängerung abzuschmettern – und mit Verlaub, dann aber auch gleich den Intendanten in die Wüste zu schicken: Wer so vehement wie Schächter an einem unfähigen Chefredakteur festhält, der sollte dessen Schicksal doch teilen, oder?
Offener Brief
Doch darum ging es nicht. Die von Roland Koch in einem FAZ-Interview fadenscheinig angeführten Gründe für den Groll gegen Brender – schlechte Quoten bei den Informationssendungen des Hauses – konnten selbst beim politischen Freund nur Augenrollen verursachen. Zum Verhängnis wurde dem 60-Jährigen vielmehr, dass er sich weder von links noch von rechts vereinnahmen ließ, dass er, obwohl von den Gnaden des Politzirkus agierend, laut und offen seine Meinung sagte, keinem Streit, wenn er denn Spaß machte, aus dem Wege ging und eines ganz bestimmt nicht ist: Ein Kuscher, Ja-Sager und Sich-Ducker. Das war zu viel für den hessischen Landesvater. Einen so eigenständigen, nicht korrumpierbaren Chefredakteur bei einer der größten Sendeanstalten Europas, das wollte der brutalst mögliche Aufklärer nicht länger vor der Nase haben. Und so sah Koch keinen anderen Ausweg, auch, wenn sein eigenes Image kurzzeitig leidet: Weg mit ihm.
Doch Koch schneidet sich ins eigene Fleisch. Denn plötzlich solidarisierten sich nicht nur wichtige Journalisten des ZDF mit Brender, unter dem sie vermutlich auch gelitten haben. Bundesweit protestierten Medienvertreter, zuletzt machten sich gar 35 namhafte Verfassungsrechtler in einem offenen Brief Luft und mahnten die Politik vor ihrer überbordenden Einflussnahme auf die öffentlich-rechtlichen Sender.
Da grübelt der "Wetten, dass ..."-Zuschauer
Die Causa Brender ist spätestens mit dem heutigen Tage kein Insider-Thema von einigen ZDF-Fuzzis mehr. Die Frage steht nun – öffentlich und öffentlich breit diskutiert – im Raum, wer eigentlich die Gremien von ARD und ZDF dominiert, welche Entscheidungen dort eigentlich nach wessen Interessen getroffen werden. Und warum das so ist und ob das so bleiben muss. Und plötzlich grübelt auch der geneigte "Wetten, dass…"-Zuschauer, warum eigentlich die Parteien bestimmen wollen, wer auf der Couch Platz nehmen darf?
Nur gut also, wenn nun tatsächlich, wie angekündigt, das Bundesverfassungsgericht angerufen wird. Das Grundgesetz hat die Staatsfreiheit des Rundfunks festgeschrieben. Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sollen von allen gesellschaftlichen Gruppen kontrolliert und mitgestaltet werden. Davon, dass der hessische Ministerpräsident Mehrheiten gegen einen ihm unliebsamen Chefredakteur organisiert, steht da nichts.
Quelle: ntv.de