Wieduwilts Woche Warum Markus Söder die Pointen-Orgel anschmeißt


Für Söder war die Podiumsdiskussion auf der Handwerksmesse mit Habeck kein angenehmer Termin.
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Der Bayerische Ministerpräsident gilt als guter Rhetoriker und Medienprofi. Doch inzwischen wirkt Söder müde - vor allem, wenn er sich ein paar Watschn von Bundeswirtschaftsminister Habeck einfängt.
Müsste ich dem Begriff "Urlaubsreife" das Gesicht eines Politikers zuordnen, wäre es das von Markus Söder. Der Bayer wirkt derzeit, als könnte er einen sechswöchigen Kuraufenthalt gut gebrauchen, zumal er gerade rhetorisch durch einen Häcksler gejagt wurde - und zwar von Robert Habeck.
Ausgerechnet Habeck, ausgerechnet beim Thema Energie, ausgerechnet vor einem Saal voll Handwerker, ausgerechnet. Lässt der große Mediendompteur aus Bayern etwa nach?
Falls Sie es verpasst haben: Der Ministerpräsident war vor gut einer Woche zu einer großen Handwerks-Sause aufs Podium geladen. Unter der Moderation des RTL-Moderators Wolfram Kons sollte Söder mit dem Bundeswirtschaftsminister und Handwerkerpräsident Jörg Dittrich plaudern, und zwar zum herrlich wolkig-egalen Zeitgeist-Quatschmotto: "Zeit, zu machen". Ein Satz wie aus Söders Mund.
Es sah also eigentlich nach einem schönen Termin aus, doch es wurde ein Verkehrsunfall. Söder hatte sich mental offenbar in der Veranstaltung geirrt: Er hatte sein inneres Bierzelt gechannelt und war in schunkeliger Pointenlaune. Bierzeltreden kommen, wie kürzlich beschrieben, ohne Antagonisten aus: Hier sagt man das, was eh alle denken.
"Ich mag halt Fleisch"
Doch hier funktionierte Bierzelt nicht. Das ging damit los, dass Söder schon wieder über Fleisch redete. Gefragt, welchen Handwerksberuf er denn als Kind gern ergriffen hätte, sagte Söder, sein Verstand hätte ihm Maurer nahegelegt, seine Leidenschaft dagegen "Metzger". Da wissen alle, was er meint, Söder erklärt es, eben wie im Bierzelt, trotzdem noch: "Ich mag halt Fleisch." Ja. Es ist bekannt, sehr bekannt.
Aber wie oft kann man mit der eigenen Fleischgeilheit kokettieren, bis es nach Pansen müffelt? Habeck sagte übrigens "Zimmermann" und begründete das damit, dass er als 18-Jähriger vermutlich gern auf die Walz gegangen wäre, er beschreibt das Gefühl von Holz und so weiter. Habeck halt.
Söder wirft im Verlaufe seines Auftritts eine wahre Pointen-Orgel an, ein Gedudel von Sprüchen, Pointen und Parolen: "Wir haben mehr Datenschutzbeauftragte als Leistungsträger" ruft er in den Saal, mit Bierzeltstimme, schiebt ein "Wurst!" hinterher und macht diese wegwerfende Handbewegung, die auch besonders talentfreie Comedians ans Ende ihrer Pointen setzen, wenn diese wirklich auf den Müll gehören. Der Bundeskanzler solle "ein Machtwort sprechen" oder - host mi? - ein "Machtwörterbuch".
Seltsamer Unernst
Söder klingt immer mehr wie ein fränkischer Fips Asmussen, nur weniger lustig. Auch bei Caren Miosga versuchte er Witz um Witz, etwa über Cannabis: "Wer ein totaler Kiffer-Fan ist - nach Berlin, nicht nach Bayern!" Verhältnis zu Bäumen und Umwelt: "Ich hab' ja nicht Anton Hofreiter umarmt." Der Streit zwischen Macron und Scholz? "Die beiden können auch 'Ehen vor Gericht' machen." Ein seltsames Thema für diesen seltsamen Unernst.
Man kennt diese Art des Auftritts. Oft sind es verunsicherte Männer, die sich aus Pointen potemkinsche Kulissen bauen, die ablenken sollen vom morschen Inneren: der Angst, es womöglich nicht mehr so ganz drauf zu haben. Für Habeck war so ein Söder kein Gegner. Auf dessen Datenschutz-Hohn antwortete der Grüne trocken, dass Bayern sich ja sogar zwei Datenschutzbeauftragte leiste. Und dann war da der unheilvolle Moment mit den AKW.
Für Kernkraft hatte Söder gerade hölzern getrommelt. AKW wären günstiger, das machten "irgendwie alle", nur wir Deutschen meinten, wir wären die Besten der Welt. Der Moderator fragt, ob für Habeck denkbar wäre, vielleicht doch beschränkt auf Kernenergie zu setzen.
"Ou, ou, ou"?
Er wolle da nun keine unnötige Schärfe reinbringen, setzt Habeck an, aber es sei immerhin Söder gewesen, der nach Fukushima mit Rücktritt gedroht habe, wenn man nicht sofort aus der Kernenergie aussteige. "Waren Sie dabei? Im Kabinett, im bayerischen?" fragt Söder, hilflos, klamaukig. Nein, aber das habe der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) so berichtet, sagt Habeck ruhig.
Den Weiterbetrieb hätten dann "wir" beschlossen, sagt Habeck. Bayern sei zudem das einzige Land, das noch vor einer Prüfung sage, es wolle kein Atomendlager. Da müsse halt "jeder seine eigene Glaubwürdigkeit immer wieder überprüfen".
Söder macht ein Geräusch in sein Handmikro, ein "Ou, ou, ou" oder so, man versteht es nicht ganz, und es kommt dann auch nichts mehr. Da war der Watschnbaum schon umgefallen - oder, um einen Söder-Gag zu versuchen, ein ganzer Watschnwald. "Leberhaken", kommentierte der konservative Kolumnist Jan Fleischhauer. Eine "lustige Zusatzinfo", fügte Helene Bubrowski von "Table Media" nach diesem Desaster süffisant auf der Plattform X hinzu: Nach diesem Schlagabtausch habe Söder seinen Messerundgang "vorzeitig abgebrochen".
Tragisch für das ganze Land
Söder, der vom Hof geprügelt Hund. Söder! Der hatte in besseren Zeiten jedes Panel dominiert! Was ist da passiert? Hubert Aiwanger ist passiert, nebst anderem. Söder hat sein Schicksal an einen Politiker gebunden, der in der Flugblattaffäre wie ein trotziges Kind agierte und den er im Bierzelt an Schlichtheit und Populismus nicht überbieten kann. Aus der Union kassiert er Kritik, weil er die Grünen als Regierungsoption ausschließt - und damit ganz unabhängig von politischen Vorlieben die eigene Position schwächte. Vielleicht dräut ihm, dass das kein kluger Zug war.
Das ist alles sehr tragisch, aber nicht nur für Söder, sondern das ganze Land. Denn eigentlich ist es derzeit vor allem der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck, der eine rhetorische Häckselei verdient hätte. Er müsste politisch gestellt werden, aber dafür bräuchte es frischere Gedanken als AKW-Nostalgie und öde Sprüche über Wurst. Immerhin hat sich der Bundesrechnungshof nun den Wirtschaftsminister vorgenommen und verpasst ihm eine überwiegend vernichtende Kritik am Zustand der Energiewende.
Söders politisches Talent, so scheint es, verwelkt gerade - oder macht eine ausgedehnte Pause. Kanzlerformat sieht anders aus und er selbst sagt auf Caren Miosgas Frage, ob Söder der Kanzlerkandidat der CSU sein könnte: "möglicherweise, theoretisch, könnte der die theoretische Option sein".
Vor der Praxis macht der Franke bitte ausgedehnten Urlaub.
Quelle: ntv.de