Streit um Jobcenter "Der Stempel Murks"
08.02.2010, 20:32 Uhr
Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik in Sachen Jobcenter eine klare Vorgabe gemacht.
(Foto: AP)
Nach der überraschenden Lösung im unionsinternen Streit um die Jobcenter können Millionen Langzeitarbeitslose einen Fortbestand der Hartz-IV-Betreuung "aus einer Hand" erwarten. Die Union setzt für eine entsprechende Verfassungsänderung auf eine Verständigung mit der SPD. Die Sozialdemokraten zeigten sich grundsätzlich dazu bereit, stellten aber Bedingungen. Wie beurteilt die Presse den anstehenden Eingriff ins Grundgesetz?
Die Landeszeitung aus Lüneburg schreibt: "Der Streit um die Jobcenter ist vor allem ein Streit um Kompetenzen und viel Geld. 40 Milliarden Euro an Eingliederungsmaßnahmen zahlt der Bund. Und immer wenn es um Geld des Bundes und Einfluss der Länder geht, marschiert Hessen Ministerpräsident vorneweg. Koch war es, der damals durchdrückte, dass sich 69 Optionskommunen in Eigenregie um Langzeitarbeitslose kümmern können. Und Koch war es auch, der Arbeitsministerin von der Leyen ausbremste. Er möchte weniger die Jobcenter absichern, sondern vielmehr erreichen, dass im Prinzip alle Kommunen und Landkreise Optionskommunen gründen können. Damit würde der Einfluss der BA drastisch beschnitten. Doch ob wirklich jede Kommune die Kompetenz hat, Langzeitarbeitslose zu vermitteln, muss bezweifelt werden."
Die Leipziger Volkszeitung sieht den Entschluss positiv: "Ein guter Tag für Langzeitarbeitslose, ein schlechter für Bundesministerin Ursula von der Leyen: Die von ihr angestrebte getrennte Trägerschaft in den Jobcentern ist endlich vom Tisch. Damit könnte der Weg frei sein, dass die Hilfe für Arbeitssuchende in einer Hand bleibt. Viel zu lange hat die Ministerin den Sachverstand machtpolitischen Interessen untergeordnet und sich - wie bis zuletzt Unionsfraktion und Kanzlerin Merkel - gegen eine Grundgesetzänderung ausgesprochen. Und das, obwohl auf Landesebene, in den Landratsämtern, in den Kommunen und Verbänden kaum einer diesen Weg für gangbar gehalten hatte."
Der General-Anzeiger aus Bonn blickt noch mal zurück: "Die Verfassungsrichter monierten vor allem die gemischte Bestückung der Jobcenter mit Beschäftigten von Arbeitsagenturen und Kommunen, wodurch sie das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung verletzt sahen. Diesen Grundgesetzverstoß hätten Union und SPD vermeiden können, wenn sie die Regie der Jobcenter entweder den Kommunen oder der Arbeitsagentur übertragen hätten. Der stattdessen gefundene Kompromiss trug schon bei seiner Entstehung den Stempel Murks."
Die Aachener Zeitung sieht das ähnlich: "Für Olaf Scholz dürfte das gestern ein Tag voller Genugtuung gewesen sein. Der ehemalige Arbeitsminister und seine Sozialdemokraten waren gleich nach dem Urteil aus Karlsruhe im Jahr 2007 dafür, die Verfassung der Lebensrealität von Hartz IV anzupassen. Hätte die Unionsfraktion Scholz im vergangenen Jahr nicht gestoppt, müsste Ministerin Ursula von der Leyen heute nicht mit gesenktem Haupt jenen Weg einschlagen, den ihr SPD-Vorgänger vor Jahren ohnehin schon gehen wollte."
Die Saarbrücker Zeitung warnt vor einem Ränkespiel: "Angesichts dieser Vorgeschichte wäre es ein Witz, wenn die Union der SPD nun auch noch Bedingungen für die von ihr geforderte Zustimmung zu einer Grundgesetzänderung stellen würde. Frei nach dem Motto: Wenn ihr das wollt, was ihr immer schon wolltet, und was wir vernünftigerweise jetzt auch wollen, nachdem wir uns endlich intern darauf geeinigt haben, dann müsst ihr bezahlen. So kurz ist das Gedächtnis nicht. Umgekehrt sollte sich auch die SPD vor der Verführung hüten, von der Union sachfremde Zugeständnisse für ihr Ja zu fordern. Es kann allen Verantwortlichen in dieser schwierigen Angelegenheit nur geraten werden, das Hin- und Hergeschiebe endlich zu unterlassen. Es ist ein Spiel zu Lasten Dritter, nämlich der Langzeitarbeitslosen."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Jochen Müter