Pressestimmen

"Weniger als ein Anfang" Internetsperre vereinbart

Auf Initiative von Familienministerin Ursula von der Leyen haben fünf große Internetanbieter eine Vereinbarung mit dem Bundeskriminalamt unterzeichnet, die den Zugriff auf Kinderpornografie im Internet erschweren soll. Internet-Nutzer, die entsprechende Seiten anklicken, sollen in spätestens einem halben Jahr Warnungen zu sehen bekommen.

Die Presse hegt einhellig Zweifel an der Wirksamkeit dieser Sperr-Maßnahme. Die Vorstellung, damit der Kinderpornographie Herr zu werden, sei "erschreckend naiv". Statt eines symbolhaften und populistischen Aktionismus, sollten andere Instrumente wie schlagkräftige Fahndungseinheiten zum Einsatz kommen. Vor allem aber sei eine klare gesetzliche Regelung anstelle eines "löchrigen Vertrags" notwendig.

Die Aachener Nachrichten habe große Zweifel an der Wirksamkeit von Internetsperren, mit denen lasse sich "kein einziges Verbrechen an Kindern verhindern". "Die Vorstellung, es gebe kommerzielle Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten, die sich einfach blockieren ließen, ist erschreckend naiv", urteilt das Blatt und schlägt andere Instrumente vor, mit denen Kinderpornographie bekämpft werden sollte: "Deutschland braucht stattdessen personell und materiell gut ausgestattete Fahndungseinheiten, die gezielt Jagd auf Anbieter krimineller Inhalte und deren Kunden machen." Der Grund dafür, dass dies nicht umgesetzt werde, seien fehlende Mittel der Regierung, die sich stattdessen ins Symbolhafte flüchte. "Wen stört es da schon, dass sich jede Internetsperre von halbwegs versierten Nutzern spielend umgehen lässt? Dass auf kinderpornografisches Material niemand mehr zufällig stößt. Prävention? Darüber lacht die Szene nur."

Auch der Süddeutschen Zeitung geht diese Aktion nicht weit genug: "Sicher, die Web-Sperr-Initiative der Familienministerin ist lediglich als flankierende Maßnahme zu begreifen. Aber im Kampf gegen die Kinderpornografie ist populistischer Aktionismus zu wenig." Statt nur Seiten zu sperren, sollten "endlich, international verpflichtend, die Betreiber solcher Seiten strafrechtlich verfolgt werden", fordert das Blatt aus München.

"Fünf Internetprovider werden sich fortan mühen, Webseiten mit Kinderpornografie zu sperren. Damit, frohlockt die CDU-Frau von der Leyen, werde es einfacher, 'diese Verbrechen zu blocken'. Schön wär's", seufzt die Frankfurter Rundschau und schließt sich nahtlos dem Tenor ihrer Vorredner an. Denn was die Familienministerin nicht verrate, sei die Tatsache, dass "keine einzige Vergewaltigung eines Säuglings () durch das Tamtam verhindert (wird), für das nicht mal ein Gesetz, sondern nur ein löchriger Vertrag existiert". Im Grunde bezweifle jeder außer von der Leyen, "dass das virtuelle Stoppschild, das einigen Internetnutzern künftig vorgehalten wird, den Konsum von Kinderpornografie nennenswert drosselt". Das Blatt zieht sein Fazit: "Nein, hier wird kein Verbrechen gestoppt, sondern ein rotes Schild bemäntelt fortan die skandalöse Untätigkeit der Politik. Dahinter tobt der Horror."

Auch die Ostsee-Zeitung bemängelt die fehlende klare gesetzliche Regelung und macht hinter dem "Brimborium", mit dem die Familienministerin ihre "Waffe" übergibt, Wahlkampftaktik aus. "Mit Internetsperren ist den Kinderporno-Verbrechern nicht das Handwerk zu legen. () Der harte Kern der pädophilen Widerlinge, die Kinderpornos zur sexuellen Befriedigung brauchen, wird auf andere Vertriebswege ausweichen, denen viel schwerer beizukommen ist. Zum Teil tun sie das schon längst." Von der Leyen wisse, dass sie ein "stumpfes Schwert geschmiedet" habe, ist das Blatt aus Rostock sicher und ergänzt: "Zumal Zweifel bestehen, ob ihr Einsatz rechtlich in Ordnung ist."

"Der Sperrlistenvertrag zwischen Bundeskriminalamt und Internet-Providern ist kaum mehr als ein Anfang", bedauert der Reutlinger General-Anzeiger und bemüht einen Vergleich mit dem Straßenverkehr: "Dass Stoppschilder allzu gerne überfahren werden, wenn gerade keiner hinschaut, ist hinlänglich () bekannt." Die Zeitung weist auf eine zusätzliche Gefahr hin, die die Listen des BKA bürgen: "Sollten sie auf illegalen Kanälen in Umlauf geraten, halten Pädophile einen perfekten Adress-Katalog in der Hand."

Zusammengestellt von Nadin Härtwig

Quelle: ntv.de

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