Pressestimmen

"Politik des leeren Stuhls" Konferenz ohne Deutschland

Es war vorherzusehen, dass der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei der UN-Anti-Rassismus-Konferenz anti-israelische Parolen schwingen würde. Es war ebenso klar, dass die Bundesregierung Zeichen dagegen setzen musste. Kurzfristig wurde die deutsche Teilnahme an der Konferenz abgesagt. Die Presse ist sich uneins, ob das Fernbleiben die richtige Methode des politischen Protests ist.

Die Landeszeitung Lüneburg stimmt der Entscheidung der Bundesregierung zu: "Es hätte keinen Sinn gemacht, wenn der Westen als Staffage gedient hätte bei den antisemitischen Hasstiraden des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad". Israels Politik trage zwar den Palästinensern gegenüber "Züge eines Apartheid-Regimes". "Aber Zionismus als, "personifizierten Rassismus" zu verunglimpfen, ist dumm", kommentiert das Blatt. Ahmadinedschad Motiv sei doch eindeutig: "Er will als Scharfmacher bei den Präsidentschaftswahlen punkten und zugleich das Gesprächsangebot von Barack Obama ablocken."

Die Kieler Nachrichten bezieht noch stärker Position: "Die Politik des leeren Stuhls ist kein Zeichen der Schwäche; sie ist die schärfste Waffe der Diplomatie." Ahmadinedschad leugne nicht nur die Vernichtung von sechs Millionen Juden; "er will Israel vernichten". Daher stellt sich die Zeitung die rhetorische Frage: "Wozu soll es führen, sich mit diesem Unsinn inhaltlich auseinanderzusetzen?" Und urteilt: "Der Hassprediger aus Teheran hat erneut gezeigt, dass er nicht zu bekehren ist." Daher müsse man ihn "isolieren". Die Entscheidung zum Fernbleiben deutscher Vertreter war dem Blatt nach absolut korrekt: "Die deutsche Außenpolitik hat gestern klare Kante gezeigt."

Die Rhein-Zeitung sieht das anders. Zwar seien Ahmadinedschads Reden "oft schier unerträglich". Und am Versammlungsort dagegen zu protestieren, sei richtig. Allerdings könne "das Reden und Verhandeln über die gewichtigen Probleme der Rassendiskriminierung weltweit" nicht für "Akte eines quasi Kalten Krieges mit Teheran" geopfert werden. Dies stelle "keine ernsthafte Option internationaler Politik dar". Somit seien die Entscheidungen Frankreichs, Großbritanniens und des Vatikanstaats in etwa klüger gewesen. Sie haben Vertreter "trotz des iranischen Provokateurs nach Genf entsandt". "Gut so", resümiert das Blatt.

Ähnlich äußert sich die Ostsee-Zeitung: "Wer Grundrechte menschlichen Zusammenlebens verteidigen will, muss Flagge zeigen", auch auf internationalen Tagungen der Vereinten Nationen, auf denen islamische oder israelfeindlich gesinnte Staaten Mehrheiten haben. Denn nicht der iranische Staatspräsident sei der Verlierer "der westlichen Ächtungspolitik", sondern "die Menschenrechte und der Kampf gegen den Rassismus". Gerade Deutschland, dessen Verbindung zu Israel immer eine besondere bleiben wird, hätte Israel "besser geholfen, wenn Berlin in Genf präsent gewesen wäre". So kommentiert das Blatt aus Rostock: "Wer hätte besser auf Ahmadinedschads krude Gleichsetzung von Rassismus und Zionismus antworten können als ein Politiker aus dem Land, in dem schon einmal ein Führer die Juden für alle Probleme dieser Welt verantwortlich machte?" So zieht die Zeitung ihr enttäuschtes Fazit: "Jetzt bleibt nur ein dumpfes Unbehagen und die Einsicht, dass jede Seite in ihren ideologischen Gräben verharren wird."

Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel und die "Wahrung israelischer Interessen" auf internationalem Parkett seien eine "geschichtliche Selbstverständlichkeit", schreibt die Kölnische Rundschau. Doch genau deshalb nütze eine Politik des leeren Stuhls keineswegs den Interessen Israels, denn die gebe Raum für "Hetze und Verleumdung", meint die Zeitung aus Köln. Menschenrechte und -würde stellten sich eben nicht von allein her: "Die wollen verteidigt werden." Genau deshalb "wäre es doch keine so üble Vorstellung gewesen, wenn ein deutscher Delegierter dem böswilligen Iraner entschlossen entgegen getreten wäre".

Zusammengestellt von Julia Jaroschewski

Quelle: ntv.de

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